Herbert Fritsch stolpert über Karl Valentin in seiner „Valentin“-Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Hamburg - „Liebeeeee-rrr Mmmmmmm….“ Liebesbesoffener Blick des Redners, pikierte, ennuyierte, blasierte Blicke der Umstehenden. Im Lamentieren darüber, lange keinen „Brief von diii-“, Pause „rrrr“ bekommen zu haben, grätschen immer öfter die anderen Schauspieler dazwischen. Sie stehlen dem Briefschreiber die Konsonanten, krächzen ein „ch“, girren ein „aaahhhrrrrrr“. Minutenlanges Liebesschwur-Gestotter. Im Hintergrund sitzt Josef Ostendorf, verkleidet mit Kostüm und Pottdeckel wie Charleys Tante in der Peter-Alexander-Klamotte. Er verzieht keine Miene. Dabei war diese Sprachakrobatik eine der besten an diesem zwei Stunden langen Abend im Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Hier immerhin waren dadaistischer Sprachwitz und körperliche Verrenkungsmanöver im Tempo fein variierend choreografiert.

 

„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“

Es hätte ein großer Abend werden können. Herbert Fritsch sind mit „Murmel Murmel“ Abende gelungen, in denen lediglich ein einziges Wort vorkommt, er animiert Schauspieler sprachlich wie körperlich zu den tollsten Szenen. Und der Münchner Komödiant Karl Valentin, 1882 geboren und am Rosenmontag 1948 gestorben, wurde für genau dies gerühmt: für Slapstick und Sprachseziererei. Womöglich war die Nähe zu groß, der Kunstwille zu heftig, das Timing nicht präzis genug. Vielleicht hätten sie die fünf Metronome der Eröffnungsszene besser nicht von der Bühne getragen. Da intonierten sie nämlich noch, selbstredend gegen die vorgegebenen fünf mal unterschiedlich tickenden Metronome ansprechend, einen vielstimmigen Kanon aus Valentins berühmtem Aphorismus „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“.

Karl Valentin hasste die Schule

Fritsch war klug genug, keine biografisch inspirierte Valentinrevue zu zeigen oder den Komiker imitieren zu lassen. In den besseren Szenen konzentriert er sich auf die Aphorismen, die heute auch noch jenen ein Begriff sind, die sonst nichts von Valentin wissen. Aus „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ baut er eine Schulszene (so viel Biografie darf doch sein, Valentin hasste die Schule und nannte sie „langjährige Zuchthausstrafe“). Auf Fragen, was der Plural von fremd sei und was die Fremden so machen - „abreisen“ –, gestattet sich Fritsch Anspielungen an Fremdenfeindlichkeit hier und heute.

Die meiste Zeit aber kommt es nicht einmal zu dem gewünschten Lachen, dass einem dann gefälligst im Hals steckenbleiben soll, dafür wird zu viel hilflos grimassiert, gefeixt. Da helfen auch die opulente musikalische Besetzung und die angeschrägten, Genre verschneidenden Kompositionen von Michael Wertmüller nicht weiter. Sprachanalyse und scheinbar heitere, doch letztlich pessimistische Menschheitsanalyse führen manchmal in beängstigend albtraumhafte Sackgassen, in eine die Welt nicht mehr verstehende Unsicherheit. Doch das zeigt allenfalls Josef Ostendorf. Der bleibt nicht nur am Rande sitzend stur ernst, sondern auch, wenn er „Hölle Hölle Hölle“ aus derselben berichtet, und dass er herunten sich nicht auch noch um den Saustall oben auf Erden kümmern könne. Hölle, Hölle, Hölle, das trifft tatsächlich den Zustand der politischen Weltlage, leider aber auch diesen Abend im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.

Weitere Termine: 17., 21., 29. Juni. Karten: 040 / 24 87 13. www.schauspielhaus.de

www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.berlin-herbert-fritsch-mit-theaterpreis-berlin-ausgezeichnet.64fd918c-69ac-42e8-9525-6e2920249b61.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.berlin-herbert-fritsch-mit-theaterpreis-berlin-ausgezeichnet.64fd918c-69ac-42e8-9525-6e2920249b61.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.berlin-herbert-fritsch-mit-theaterpreis-berlin-ausgezeichnet.64fd918c-69ac-42e8-9525-6e2920249b61.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.dieter-roths-theaterstueck-murmel-murmel-der-inhalt-es-gibt-keinen.6d2fd855-de79-4b80-8346-a648fa21641b.html