Zwei Jahre haben das Citizen-Kane-Kollektiv und das Junge Ensemble Stuttgart zum Thema Prostitution recherchiert. Das Ergebnis „Girls Boys Love Cash“ ist nun auf der Bühne zu sehen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Was könnte man mit 150 Euro anstellen? Freunde einladen, verreisen, sich etwas kaufen. Man könnte vielleicht sogar jemanden kaufen. Der Schauspieler Jonas Bolle hat 150 Euro in der Tasche. Was tut er damit? Immer wieder wird ihm die Frage gestellt, bis er endlich das Thema anspricht, um das es an diesem Abend gehen soll: „Ich könnte ins Bordell gehen.“ Zwei Jahre haben das Citizen-Kane-Kollektiv und das Jungen Ensemble Stuttgart (Jes) zum Thema Prostitution recherchiert. Der Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes hat es möglich gemacht, dass sich die freie Truppe und das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters diesem pikanten Thema widmen konnten. Das Ergebnis ist nun im Jes zu sehen: „Girls Boys Love Cash“.

 

Im Theater werden Girls und Boys auseinander gesetzt, eine Tribüne für die Männer, eine für die Frauen. Hier jene, die „nicht empathisch sind“ und „immer nur das Eine interessiert“, dort die anderen, die „zickig und weinerlich“ sind, „eiskalt berechnend und sozial kompetent“, so zumindest die Stimmen aus dem Publikum, das die Schauspieler zum Auftakt um seine Meinung gebeten hat und dabei deutlich macht, wie starr und unpräzise Geschlechterklischees sind.

Es geht auch um die Macht des Geldes

Denn dieser Jonas, den Jonas Bolle darstellt, ist doch eigentlich ein normaler junger Mann, der manchmal Sorgen hat, nicht genug Muckis zu besitzen, oder sich fragt, ob er sich die teuren, aber megacoolen Turnschuhe leisten soll. Es geht also auch ganz allgemein ums Kaufen und die Macht des Geldes in diesem Projekt, das eher Collage ist als ein durchgearbeitetes Stück. Es gibt getanzte Szenen, die den aufreizenden Tabledance karikieren, dann feiert das Ensemble eine Orgie mit Tiermasken auf dem Kopf oder schildern die Schauspieler biografische Erlebnisse. Der dokumentarische Teil ist dabei der aufschlussreichste. In Videoeinspielern erzählt eine Prostituierte von ihrem Leben, davon, dass sie mit ihrem Körper mache, was sie wolle. „Wenn ich akzeptiere, dass mir jemand etwas Schlimmes antut, dann bin ich die, die das akzeptiert.“

Auf der Bühne steht zwar in Leuchtschrift „Boys“, aber letztlich verliert „Girls Boys Love Cash“ die Jungs und Männer aus dem Blick und wiederholt doch nur den alten Opferdiskurs, der die Demütigungen der Prostituierten aufzeigt, statt auch mal zu fragen, warum 1,2 Millionen Freier pro Tag und immerhin 18 Prozent aller Männer offensichtlich Probleme haben, auch ohne Geld Befriedigung zu finden, oder denen Sex auf Augenhöhe schwerfällt. „Job ist gut, gut fürs Geld, aber Kopf kaputt“, wird eine Frau in dem Stück zitiert. Aufschlussreicher wäre gewesen, auch in die kaputten Köpfe jener zu schauen, die das tun, was die Prostituierte im Video nüchtern berichtet: „Ich bin so oft aus Autos gesprungen, wurde mit Messern geschnitten, auf Feldern zurückgelassen, von der Polizei vergewaltigt, von Kriminellen und Politikern.“

Vorstellungen am 7., 8. 28. bis 30. März und 20., 21. und 24. April