Der Rutesheimer Thorsten Talmon arbeitet in der Geschäftsstelle des SV Leonberg/Eltingen – und er ist darüber hinaus Talentscout für den Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart.

Thorsten Talmon ist in und um Leonberg ein bekanntes Gesicht. Der Rutesheimer war Spielertrainer beim TSV Malmsheim, hat sechseinhalb Jahre lang den TSV Flacht trainiert, und stand auch zwei Jahre an der Seitenlinie bei der Spvgg Renningen. Darüber hinaus war der Jugend-Elite-Lizenz-Inhaber, der am Dienstag 51 Jahre alt wurde, siebeneinhalb Jahre lang Trainer am DFB-Stützpunkt in Hirschlanden und hat unter anderem den aktuellen Nationaltorhüter Frank Feller (1. FC Heidenheim) unter seinen Fittichen gehabt.

 

Den Job gab er Ende 2019 auf, da er via Daniel Teufel, den aus Rutesheim stammenden Ausbildungsleiter des VfB Stuttgart, das Angebot bekam, als Regionalscout für den Bundesligisten tätig zu sein. Lange überlegen musste Thorsten Talmon nicht: „Das ist ein Angebot, das man nicht jedes Jahr kriegt“, sagt er. Seit 2020 ist er überwiegend am Wochenende in den Bezirken Enz-Murr, Böblingen/Calw, in der Pforzheimer Gegend und im Enzkreis unterwegs, um Talente für die U 13- bis U 15-Mannschaften des VfB Stuttgart zu entdecken.

Im Hauptberuf ist er mit einer 75-Prozent-Stelle in Geschäftsstelle des SV Leonberg/Eltingen tätig, wo er vor allem die Kooperationen Schule/Verein und Kita/Verein verantwortet und sportartübergreifende Feriencamps organisiert. Das VfB-Scouting ist Talmons Nebenjob, reich wird er dadurch nicht. „Der Lohn ist es, wenn ich einen jungen Spieler zum VfB gebracht habe, der sich dort gut entwickelt und den Verein weiterbringt“, erklärt er.

Rund 100 Jugendspiele etwa schaut sich Talmon in einer Saison an, er kennt die Sportplätze in Waiblingen, Herrenberg und Nagold ebenso wie die in Nöttingen und Heilbronn. Zu Beginn der Saison überlegt sich der Rutesheimer selbst, wo er Station macht. Je weiter voran die Spielzeit schreitet, desto häufiger bekommt er den Auftrag, Spieler für spezielle Positionen oder einen Linksfuß zu suchen. „Über die Jahre habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut, da kriege ich den ein oder anderen Tipp“, erzählt Talmon.

Talmon tingelt häufig übers Land

Grundsätzlich achtet der Talentspäher bei allen Akteuren auf ein paar elementare Eigenschaften: Wie sind die koordinativen Abläufe? Ist ein Spieler besonders schnell, beidfüßig oder torgefährlich? Wie ist sein Verhalten dem Schiri gegenüber? Lässt er bei einem Rückstand den Kopf hängen oder zieht er die Mitspieler mit? „Das Entwicklungspotenzial muss zu erkennen sein“, verrät Talmon.

Während er für U-13-Akteure übers Land zu Dorfvereine tingelt, engt sich die Suche bei U-15-Spielern häufig auf bestimmte Vereine mit einer bekannt guten Jugendarbeit ein – wie beispielsweise SGV Freiberg, FSV 08 Bissingen oder FC Nöttingen. „Ein U-15-Spieler muss ein potenzieller U-17-Bundesligaspieler für den VfB sein, da geht es um möglicherweise Internatsplätze“, stellt Talmon klar. Und wenn er ein Nachwuchsspiel bei den Stuttgarter Kickers anschaut, trifft er nicht selten auf Kollegen vom FSV Mainz 05 oder dem FC Augsburg. Als VfB-Talentscout zu erkennen ist der 51-Jährige nicht, er ist in ziviler Kleidung unterwegs. Die Kontaktaufnahme findet erst allmählich und zurückhaltend statt. „Es gibt auch Vereine, bei denen ich als VfB-Scout nicht auf einen Kaffee eingeladen werde“, nimmt Talmon die ablehnende Haltung mancher Clubs mit Humor.

Corona erschwerte das Scouting

Bevor über Frederik Gluding, den Kaderplaner des VfB für die U 14- bis U-16-Teams, Kontakt aufgenommen wird, überprüft Thorsten Talmon, ob das Gesamtpaket passt. Da spielen unter anderem die schulischen Leistungen und die Haltung des Elternhauses eine Rolle. „Hilfreich ist es immer, wenn der Spieler VfB-Fan ist“, weiß Talmon. Der Bundesligist habe eine Strahlkraft. Vorgaben, wie viele Spieler der Rutesheimer zum VfB lotsen soll, gibt es nicht. „Manchmal schafft es in einem Jahr nur ein einziger, aber das ist auch ok“, erklärt er. Die Jahrgänge seien von ihrer Qualität her unterschiedlich. In diesem Winter war Talmon in seinem dritten Jahr als Scout erstmals bei Hallenturnieren. Zu Beginn seiner Tätigkeit erschwerte ihm die Coronapandemie die Arbeit enorm. „Wenn bei Testspielen keine Zuschauer zugelassen waren, habe ich mir einfach eine Garage in der Nähe gesucht, von wo aus ich zugucken konnte“, erzählt er schmunzelnd. Und als er bei einem Spiel die Zuschauerzahl auf 100 festgelegt war, er aber als 104. erschien, hatte er das Glück, die Wirtin der Vereinsgaststätte zu kennen. „Die sagte: Jetzt trinkst du mal einen Kaffee, dann schaust du die Partie von unserer Terrasse aus.“