Corona hat Thyssenkrupp schlimmer getroffen als andere Unternehmen. Weil wochenlang kaum Autos gebaut wurden, gab es nur noch wenig Bedarf an Stahl aus den Hochöfen des Konzerns. Aber das hat alte Probleme nur verschärft.

Essen - Probleme mit dem Stahlgeschäft treiben Thyssenkrupp immer tiefer in die roten Zahlen. Für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr erwartet der Konzern allein in seinem Kerngeschäft einen Verlust von bis zu einer Milliarde Euro. Insgesamt rechnet Thyssenkrupp sogar mit einem Fehlbetrag zwischen 1,7 und 1,9 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Geschäftsquartal mitteilte.

 

Einen Hoffnungsschimmer sehen die Essener dennoch: Mit 679 Millionen Euro sei das Minus im „Corona-Quartal“ von April bis Juni nicht ganz so dramatisch ausgefallen, wie ursprünglich erwartet. „Damit sind wir im dritten Quartal insgesamt etwas besser durch die Krise gekommen, als anfangs befürchtet“, sagte Vorstandschefin Martina Merz laut Mitteilung.

An der Börse sah man das anders. Mit einem Kursrutsch von zeitweise mehr als 16 Prozent verlor die im M-Dax gehandelte Aktie auf einen Schlag ihre Gewinne aus den vergangenen Wochen. Kritik gab es von Börsianern und Analysten vor allem am Ausblick für das vierte Geschäftsquartal, das nicht mehr als eine Stabilisierung der Geschäfte bringen soll.

Abhängigkeit von Automobilindustrie zu spüren

Besonders schmerzhaft hat Deutschlands größter Stahlhersteller in der Corona-Krise seine große Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu spüren bekommen. Mehr als andere Stahlkocher beliefert der Branchenführer die Autohersteller, wie Finanzvorstand Klaus Keysberg in einer Telefonkonferenz betonte.

Als die Autofabriken zu Beginn der Krise heruntergefahren wurden, brachen die Aufträge im Stahlbereich von Thyssenkrupp um 38 Prozent ein. Mittlerweile sind die Hüttenwerke zwar wieder zu 60 Prozent ausgelastet. Aber weiter steht ein kompletter Hochofen still und Tausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit. An allen Thyssenkrupp-Standorten in Deutschland arbeiten noch immer 20 000 Mitarbeiter nicht die volle Stundenzahl.

Die Stahlproduktion von Thyssenkrupp war allerdings schon vor der Corona-Krise notleidend. Man habe zu spät mit der Sanierung angefangen, räumte Keysberg ein. Thyssenkrupp liege bei der Wettbewerbsfähigkeit „unter den anderen Stahlherstellern“.

Abbau von rund 3000 Stellen

Die Versäumnisse bekommen jetzt vor allem die Stahlarbeiter zu spüren. Rund 3000 Stellen will Thyssenkrupp abbauen um von den hohen Personalkosten von 2 Milliarden Euro pro Jahr herunterzukommen. Möglicherweise fallen aber noch mehr Stellen weg. Man sei mit den Arbeitnehmervertretern in allen Unternehmensbereichen in der Diskussion, „ob und welchen Anpassungsbedarf es eventuell darüber hinaus gibt“, betonte Keysberg. Durch den Arbeitsplatzabbau und die gleichzeitig geplanten Investitionen werde Thyssenkrupp wieder zu einem „wettbewerbsfähigen Stahlhersteller“.

Ob dies Thyssenkrupp im Alleingang oder mit einem Partner schaffen will, bleibt weiter ungeklärt. Vorstandschefin Merz ist auf Partnersuche und schließt einen Verkauf des traditionsreichen Stahlgeschäfts ebenso wenig aus wie eine Fusion mit einem Konkurrenten. „Es gibt keine Denkverbote“, hatte sie betont.

Finanziell Luft hat sich Thyssenkrupp mit dem Verkauf der Aufzugssparte für mehr als 17 Milliarden Euro verschafft. Das Geld ist inzwischen eingegangen. Was davon nach Schuldenabbau, der Abdeckung drückender Pensionslasten und dem Aufräumen der Bilanz übrig bleibt, ist ungewiss.