Teresa Präauer hat ein Buch der Verwandlungen geschrieben und das kreatürliche Geheimnis der Schöpfung enthüllt. In der nächsten Woche kommt sie ins Literaturhaus Stuttgart.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Es beginnt mit einem Augenblick am offenen Fenster, verschiedene Geräusche dringen herein und überlagern sich, das Singen des Kuckucks mit einer Kinderstimme. Knapp hundert Seiten später hat sich die Szene geringfügig verändert. Wieder ruft ein Kuckuck, vom Hof her erklingt ein quietschendes Japsen – von einer winzigen neugeborenen Katze? Doch zwischen Anfang und Ende liegt eine Welt der Verwandlung, eine Jahrhunderte, Jahrtausende umgreifende Geschichte des Übergangs vom Tier zum Menschen und umgekehrt, bevölkert von sonderbaren Mischwesen aus Vogelkörpern und nicht unfreundlichen Menschenköpfen. Wie jene Harpyie, die von der stillen Post der Tradition über Generationen von Zeichnern weitergereicht, zu einer festen Größe unserer Fantasie geworden ist.

 

Die österreichische Schriftstellerin Teresa Präauer fügt in ihrem essayistischen Tagtraum „Tier werden“ wieder zusammen, was sich im Lauf der Zeit auseinanderentwickelt hat. Der Menschwerdung setzt sie die Tierwerdung entgegen. Und geschmeidig wie eine Katze umstreicht ihre Gedankenführung das Wissen um das kreatürliche Geheimnis des Schöpfungsakts. Denn damit etwas zum Leben erwacht und die Augen aufschlägt, bedarf es der Kraft des Ungezähmten, Wilden – und Zauberformeln wie die Konjunktion „als“: das Ich als Tier. „Es ist, als würde man mit dem Wörtchen ‚als‘ im Mund alles, was seinen Weg über die Lippen findet, anhauchen können – und es würde zu Fell, zu Pelz, zu Schuppen, zu Federn.“

Text im Pelz

In ihrem letzten Roman „Oh Schimmi“ wurde ein junger Mann zum Affen unserer selbst. Hier nun folgt Teresa Präauer Einhörnern, Werwölfen, Schimären aller Art durch Bibliotheken, Archive, Kunstkammern, um jene Stellen zu finden, an denen sich ein Durchlass zwischen beobachteter und erdachter Welt öffnet. „So wandert, was Erfindung war, wie ein Kamel durchs Nadelöhr, hinein ins Lexikon und schleicht sich darüber in die Wirklichkeit ein.“

Biologisch gesehen teilt der Mensch den größten Teil seines Erbguts mit Schimpansen. Dehnt man den Blickwinkel auf mehrzellige Lebewesen aus, verbinden uns immer noch 25 Prozent genetische Gemeinsamkeiten mit einer Karotte. Deshalb überschreiten Präauers Metamorphosen den Ovid’schen Verwandlungskreis, streifen Kafkas Käfer- und Affenmenschen nur am Rande, um in Zonen vorzustoßen, in denen sich Künstler als Zitrone porträtieren und Erdbeeren ein Wahlrecht beanspruchen.

Teresa Präauer ist Künstlerin und Schriftstellerin zugleich. Ihr in weiche Felloptik gehüllter Band feiert den Übergang. Und wenn man die Wörter genau anschaut, blickt ein Tier zurück. Seid fruchtbar und mischt euch, würde der Schöpfungsbefehl dieser Künstler-Genesis lauten. Präauers schönes Buch ist selbst ein Mischwesen zwischen Erzählung und Essay, in den Schafspelz der Literatur gehüllte wilde Theorie und umgekehrt. Sie scheucht eine ganze Herde prominenter Grundtexte von der frühen Neuzeit bis in die Postmoderne vor sich her und treibt ihre animalische Seele heraus. Bis der Kuckuck zweimal ruft.

Am Donnerstag, den 24. Januar, ist Teresa Präuer zu Gast im Literatuthaus Stuttgart.