Obwohl es dort meistens ziemlich trocken und warm ist, findet man auf dem Kappelberg eine spezielle Schnecke, die es sonst kaum irgendwo gibt. Die Zebra- oder Turmschnecke (Zebrina detrita) trotzt der Trockenheit.

Fellbach - In den trocken-warmen und sonnigen Weinbergen wie um den Kappelberg kommen alle möglichen Tiere vor, die an Hitze und Trockenheit bestens angepasst sind. Allerdings würde man dabei wohl zuletzt an Schnecken denken. Denn diese gelten ja gemeinhin als Lebewesen, denen es nicht feucht genug sein kann. Überraschenderweise finden sich in dieser Tiergruppe einige Vertreter, die mit trockenen Bedingungen hervorragend zurechtkommen. Eine dieser Arten ist die Zebraschnecke. Nach der Zebraspinne also noch ein Zebra in Fellbach und Umgebung?

 

Diese hübsche Gehäuseschnecke heißt auch Große Turmschnecke, Weiße Turmschnecke oder Märzenschnecke, sogar Kaiserstuhlschnecke ist einer der vielen Namen. Womit sie fast auch Kappelbergschnecke heißen dürfte. Jede dieser Bezeichnungen bezieht sich auf ein anderes Detail im Leben dieser kleinen, aber interessanten Schnecke.

Diese Art ist also eine wahre Überlebenskünstlerin

Turmschnecke beschreibt sehr schön die Gehäuseform, die tatsächlich wie ein Miniatur-Türmchen aussieht, meist weiß oder zumindest ganz hell. Aufgrund der unregelmäßigen Streifen erklärt sich der Name mit dem Zebra von selbst. Da die Tiere aus ihren Winterverstecken hervorkriechen, wenn der Regen bei milden Frühlingstemperaturen gefallen ist, was meist auf den März zutrifft, heißen sie Märzenschnecke. Den Winter verbringen sie nach den ersten Frösten von Anfang November an in selbst gegrabenen Erdlöchern. Dort fallen sie in Winterstarre.

Diese Art ist also eine wahre Überlebenskünstlerin, schafft sie es doch, als ein Weichtier, das eigentlich feuchte Verhältnisse bevorzugt, sengender Hitze und Trockenheit zu trotzen. Davon kann man sich bei einem Spaziergang über den Kappelberg überzeugen, wenn an den dürren Grashalmen und Pflanzenstängeln kleine, weißliche Schneckenhäuschen zu sehen sind. Man findet sie hauptsächlich an südexponierten Hängen und Böschungen, bevorzugt mit offenen Bodenstellen und lückiger Vegetation. Solche Habitate gibt es in den Weinbergen und den kleinen Schutzgebietsflächen auf dem Fellbacher Kappelberg.

Im Frühling nach den ersten längeren Regenphasen setzt die erste Paarungszeit ein

Aber keine Sorge, die Schnecke, die zur Familie der Vielfraßschnecken gehört, knabbert nicht die ganzen Reblagen kahl. Vielmehr ernährt sie sich gerne von abgestorbenem Pflanzenmaterial, also vorwiegend krautigen Pflanzen und Gräsern. Damit leistet diese Schnecke einen wichtigen Beitrag bei der Umwandlung dieser organischen Reste zu wiederverwertbaren Nährstoffen, die dem Boden über ihre Ausscheidungen zugeführt werden. Im Frühling nach den ersten längeren Regenphasen setzt die erste Paarungszeit ein. Und jetzt im Spätsommer, wenn es wieder ausgedehntere Regenfälle gibt, beginnt eine zweite Fortpflanzungsphase. Allerdings scheint das Auftreten von zwei Fortpflanzungszeiten nicht eindeutig zuzutreffen, denn in Süddeutschland wird der Schlupf von Jungtieren offenbar nur im Herbst beobachtet.

Wie alle einheimischen Landschnecken sind auch diese Tiere Zwitter, was die Partnerwahl deutlich vereinfacht. Für solch relativ langsame Lebewesen ist das von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Etwa zwei Wochen nach der einstündigen Paarung werden mehrere Dutzend kugelige Eier einzeln in lockerem Bodensubstrat abgelegt. Nach gut einem Monat schlüpfen die Jungschnecken, die sich dann zunächst nur von weichen, modernden Pflanzenresten ernähren.

Zebraschnecken sind Bioindikatoren, die sensibel auf Habitatveränderungen reagieren

Wenn es trocken ist, entziehen sich die Schnecken den für sie eigentlich lebensfeindlichen Bedingungen. Einige verkriechen sich unter die Erde, wo sie sich eingraben. Da das aber bei steinigem und hartem Boden wie auf dem Kappelberg nicht überall möglich ist, gehen die meisten von ihnen den entgegengesetzten Weg: Sie klettern an Pflanzenstängeln hinauf und heften sich dort fest. So überdauern sie – gut geschützt in ihrem verschlossenen Gehäuse – auch längere Hitze- und Trockenheitsperioden. Auch wenn die hellen, gestreiften Schneckenhäuschen hübsch aussehen und zum Mitnehmen verlocken, so sollte man sie tunlichst dort belassen, wo sie sind. Und das aus mehreren Gründen: Zunächst einmal sind die Gehäuse nicht leer, sondern eben in der Regel noch bewohnt. Und die Schnecken sind mittlerweile sehr selten und bedroht. Sie sind auf der Roten Liste in der Kategorie 2 als „stark gefährdet“ verzeichnet.

Zebraschnecken sind Bioindikatoren, die sensibel auf Habitatveränderungen reagieren. Wenn die Pflanzendecke zu dicht wird, erwärmt sich die oberste Bodenschicht nicht mehr ausreichend, die Schnecken sterben infolgedessen ab. Die Beweidung durch Schafe hat sich als essenziell für diese Schneckenart herausgestellt. Zum einen sorgen die Wiederkäuer für eine kurze Vegetation und andererseits helfen sie den Schnecken bei der Ausbreitung. Diese werden nämlich gelegentlich im Schaffell quasi als blinde Passagiere transportiert und gelangen so zu anderen Trockenrasenflächen, die sie aus eigener Kraft kaum erreichen würden. Auf diese Weise haben sie einst auch den Weg auf den Kappelberg geschafft.

Steckbrief

Die Zebra- oder Turmschnecke ist eigentlich mit keiner anderen Art zu verwechseln. Ihr Schneckengehäuse ist ungefähr eineinhalb bis zweieinhalb Zentimeter lang und etwa einen Zentimeter im Durchmesser. Es sieht aus wie ein kleines Türmchen und ist mal länglicher konisch-kegelförmig oder mal etwas kürzer und dann mehr eiförmig. Die Individuen können also bei gleicher Gehäuselänge eher schlank oder eher bauchig sein. Das Gehäuse ist immer rechtsgewunden und hat bis sieben schwach gewölbte Windungen.

Für diese Schneckenart gibt es etliche Namen. Während also Weiße Turmschnecke, Große Turmschnecke, Weiße Vielfraßschnecke, Kaiserstuhlschnecke, Märzenschnecke oder Zebraschnecke alle dasselbe Tier bezeichnen, beginnt hier noch ein besonderes Problem: Die Bezeichnung „Turmschnecken“ wird bereits für eine ganz andere Schneckenfamilie verwendet, und zwar für Meeresschnecken.