Ohne den Regenwurm (Lumbricus terrestris) wäre der Boden für die Landwirtschaft nicht halb so viel wert. Er ist ein wichtiger Helfer, um die Bodenstruktur, aber auch den Wasser- und Nährstoffhaushalt zu regulieren.

Fellbach - Inzwischen sind die meisten der golden wogenden Getreidefelder abgeerntet. Die exzellente Bodenqualität des Schmidener Feldes garantiert meist beste Erträge. Doch all dies wäre ohne den Regenwurm, der für die meisten nur ein eklig-schleimiges Tier ist, das man allenfalls zum Angeln in die Hand nimmt, nicht möglich.

 

Bei uns findet man fast 50 Regenwurm-Arten, weltweit gibt es sogar gut 3000

Ein Regenwurm ist aber viel mehr als ein Köder am Angelhaken, im Grunde ist er unverzichtbar für die Landwirtschaft, sei es auf dem Acker, im Wengert oder im Garten.

Dabei gibt es eigentlich nicht „den“ Regenwurm. Bei uns findet man fast 50 Arten, weltweit gibt es sogar gut 3000. Während der Körperbau all dieser Arten fast identisch ist und man sie äußerlich kaum unterscheiden kann, so unterscheiden sie sich doch beispielsweise in der Bodentiefe, in der sie leben. Es gibt tiefgrabende und flachgrabende Arten, aber auch solche, die gar nicht im, sondern auf dem Boden leben und sich lediglich in der Streuschicht aufhalten.

Letztere sind zum Schutz vor der Sonne dunkel pigmentiert. Bei den anderen Arten hängt es davon ab, ob sie ab und zu nach oben kommen und der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Die Arten, die mit dem hinteren Teil des Körpers im Boden bleiben, sind vorne dunkler und hinten heller. Bei anderen bleibt die ganze Haut unpigmentiert, weil sie nie aus dem Boden rauskommen. Normalerweise.

Regenwürmer atmen über die Haut

Denn es gibt eine Situation, in der alle Regenwürmer nach oben kommen, nämlich dann, wenn es regnet. Weil Regenwürmer über die Haut atmen, bekommen sie ein Problem, wenn bei Regen ihre Gänge im Boden mit Wasser geflutet werden. Sie könnten dort einfach ertrinken, genauer gesagt ersticken. Die gängige Annahme ist, dass sie deshalb an der Oberfläche erscheinen und man sie dadurch zu Gesicht bekommt. Daher auch der Name Regenwurm oder die alternative Bezeichnung „Tauwurm“. Allerdings ist diese Erklärung durch neuste Studien ein wenig ins Wanken geraten, denn Regenwürmer können durchaus längere Zeit in überschwemmten Gängen überleben. Und in feuchten Auenböden kommen sie sogar besonders häufig vor, völlig unbeschadet. Ob das Geräusch der fallenden Regentropfen sie alarmiert, weil es wie ihr bedeutendster Fressfeind, der Maulwurf, beim Graben klingt, ist allerdings bei den Forschern auch noch umstritten.

Gegen Trockenheit jedenfalls haben Regenwürmer auch ihre Überlebenstricks. Arten, die tiefgrabend leben, verkrümeln sich einfach weiter in die Tiefe. Arten, die in den oberen Bodenschichten leben, können in einem Ruhestadium die trockene Phase unbeschadet überstehen. Bleibt es allerdings zu lange trocken, hilft all das nichts, die ausgewachsenen Würmer gehen ein. Doch mit ihren trockenresistenten Eier überstehen sie auch längere Trockenperioden und sichern so das Überleben der Regenwürmer.

Zusätzlich weiden die Regenwürmer die Umgebung ihrer Wohnröhren ab

Die Tiere ernähren sich in erster Linie von abgestorbenem Pflanzenmaterial. Da alles aber schon ein wenig mikrobiell „vorverdaut“ werden muss, ziehen sie abgestorbene Blätter und Pflanzenstängel in ihre Röhren hinein. Im dortigen Kleinklima rottet das Pflanzenmaterial dank der Hilfe von Pilzen und Bakterien an und die Regenwürmer können es anschließend leichter aufnehmen. Das ist ein mühsame, aber lohnende Verwertung von biologischem Material, das auf den ersten Blick vollkommen wertlos erscheint, aber durch den Regenwurm sozusagen ein Upgrade erhält. Dazu muss es aber erst einmal durch ihn hindurch. So ist das Wertvolle am Regenwurm, das was hinten rauskommt.

Zusätzlich weiden die Regenwürmer die Umgebung ihrer Wohnröhren ab und vertilgen so neben Algen und Pilzen auch Bakterien und andere einzellige Organismen. Pro Jahr produzieren sie dadurch in unseren Böden auf jedem Hektar Land die riesige Menge von bis zu 100 Tonnen an Wurmlosung. Damit „wächst“ der Boden auf dieser Fläche insgesamt um einen halben Zentimeter in die Höhe. Der Dung, den die Regenwürmer ausscheiden, ist ein kostbares Gut und weitaus nährstoffreicher als der „normale“ umgebende Boden.

Je nachdem können mehr als 100 Regenwürmer pro Quadratmeter zusammenkommen

Wenn nach der Ernte alle Pflanzen vom Acker verschwinden, kommen die Würmer in einen Nahrungsengpass und ihre Zahl verringert sich. Zerkleinerte Getreide- und Maisstoppeln können da Abhilfe schaffen, weil sie besser verwertet werden können als unzerkleinerte Ernterückstände. Einsaaten aus Zwischenfrüchten, etwa Senf oder aus mehreren Arten zusammengesetzte Mischungen dagegen mögen die Würmer, denn sie liefern ihnen ein dauerhaft verfügbares Nahrungsangebot. Besonders beliebt sind Leguminosen, wie beispielsweise Ölrettich.

Das haben Studien ergeben, bei denen die Würmer im Boden bei verschiedenen Einsaaten gezählt wurden. Je nachdem können gut und gerne mehr als 100 Regenwürmer pro Quadratmeter zusammenkommen. Spitzenwerte werden bei Erben erzielt, hier liegt der Wert fast beim Doppelten, nämlich bis zu 180 Würmer. Deshalb ist es wichtig, den Regenwurm als den wohl wichtigsten Mitarbeiter der Landwirtschaft zu hegen und zu pflegen. Er bleibt unverzichtbar – und zwar eher für den Landwirt als für den Angler.

Steckbrief

Regenwürmer sind Wenigborster (Oligochaeta), die zum Tierstamm der Annelida (Ringelwürmer), darin zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitallata) gehören. Ihr Körperbau ist ziemlich einheitlich. Charakteristisch ist ihr nicht nur ihr langgestreckter, „wurmförmiger“ Körper, der bei den hiesigen Arten bis zu 30 Zentimeter lang werden kann. In den Tropen gibt es Regenwürmer, die sogar bis zu drei Meter lang werden können.

Erwachsene Würmer erkennt man an ihrem sogenannten Gürtel, der der Fortpflanzung dient. Dabei legen sich zwei Regenwürmer zur Paarung aneinander und tauschen Spermien aus. Das Besondere: Beide Regenwürmer können danach Eier legen, denn sie sind Zwitter. Der Gürtel sondert ein schleimiges Sekret ab, in dem die Eier heranreifen können, bevor sie in einem robusten Kokon, der fast alles übersteht, abgelegt werden.