Der Dozent einer Universität ist mit Studenten in einen Mastbetrieb eingedrungen. Er soll den bauer mit Reizgas besprüht haben. Jetzt steht seine Karriere als Ethik-Professor auf dem Spiel.

Heilbronn - Eigentlich träumt er davon, Ethik-Professor zu werden. Doch statt vor Studenten steht ein 29 Jahre alter Dozent der Universität Tübingen seit Montag wegen Hausfriedensbruchs, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Heilbronn. Dabei geht es auch um die Frage: Darf man Recht brechen, um Unrecht anzuprangern?

 

Michael M. (alle Namen geändert) soll vor zwei Jahren mit zwei mitangeklagten jungen Studenten in einen Putenmastbetrieb in Ilshofen (Kreis Schwäbisch Hall) eingedrungen sein mit dem Ziel, die Zustände in dem Stall zu dokumentieren. Das Vorhaben lief völlig aus dem Ruder, als der Bauer sie erwischte. Dieser soll mit einem Holzstock auf M. und die mitangeklagte Maria B. eingedroschen haben. Der mit summa-cum-laude promovierte Ethiker M. wiederum soll den Hofbesitzer mit Reizgas traktiert haben.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im Prozess

Sollte die dritte Kammer des Landgericht Heilbronn als Berufungsinstanz dem Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall im vorigen Jahr folgen und M. zu sechs Monaten und zwei Wochen Haft auf Bewährung verurteilen, so die Befürchtung des Wissenschaftlers, könne er seinen Traum von der akademischen Karriere begraben. Die Mitangeklagten waren damals wegen Hausfriedensbruchs zu 30 und 20 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden. Sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Am ersten Tag verfolgten Putenmäster aus der Region und Tierschützer die Verhandlung.

Michael M., Sebastian H. (24) und Maria B. (21) hatten sich bei dem Tübinger Verein „Act for animals“, der sich gegen Massentierhaltung wendet, kennengelernt. „Die konventionelle Geflügelmast“, so M., „ist ein krankes System.“ Mehrfach sei er in Mastbetriebe eingedrungen und habe dort gefilmt, um das Leiden der Tiere zu dokumentieren und die Behörden zum Eingreifen zu zwingen, sagte M.

Täter haben in Ställen gefilmt

Auch in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2015 wollten M. und seine Freunde filmen. Direkt am Stall hätten zehn bis 15 Mülltonnen mit toten Tieren gestanden. M. und H. gingen in die Ställe, in denen Puten gehalten werden, und filmten 20 Minuten lang „schlimme hygienische Zustände und das erwartete Elend“. Der Bauer hörte Geräusche und ging mit einem Holzstock in der Hand zu den Ställen. Es kam zu Verfolgungsjagden und Handgreiflichkeiten. In einem Handgemenge habe der Putenmäster M. eine Wärmebildkamera entrissen, sagt der 29-Jährige, und sei zurück zum Haus gelaufen. Der Züchter rannte in die Garage und versuchte, die Tür zu schließen.

M., sagt er es selbst, stellte einen Fuß in die Tür. Der Bauer habe weiterhin durch den Spalt auf ihn einzuhauen. Deshalb habe er das Reizgas benutzt. Da gab der Bauer die Tür frei und rannte ins Haus. Er habe unbedingt seine Wärmebildkamera wiederhaben wollen, sagte der 29-Jährige. In einem Zivilprozess war er zu einer Schmerzensgeldzahlung verurteilt worden. Der Anwalt des Landwirts hat Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Uni eingereicht, weil der Dozent mit Studenten zu Straftaten losgezogen sei. Die Kamera ist nicht wieder aufgetaucht. Das Urteil wird Mitte Juni erwartet.