Immer mehr Menschen interessieren sich auch in Deutschland für Tiny Houses. Doch diese alternative Art auf kleinstem Raum zu wohnen, liefert in Zeiten steigender Mieten keine Lösung für die Wohnungsnot in Städten, kommentiert Carina Kriebernig.

Stuttgart - Trends sind so eine Sache: Klobige Sneakers, oder neueste Food-Bowls aus Hawaii: Kann man gut finden, kann man aber auch ziemlich gekonnt ignorieren. Doch der ungebrochene Hype um Tiny Houses sollte jedem, der sich mit der aktuellen Wohnungsnot, steigenden Mieten in deutschen Großstädten und Gentrifizierung auseinandersetzt, zu denken geben.

 

Sehen Sie hier im Video: Wie es sich auf 18 Quadratmetern lebt

Wohnen auf kleinstem Raum

Tiny Houses heißen die aufs Wesentliche reduzierten Eigenheime, die laut US-Baugesetz zwischen zehn und 37 Quadratmeter groß sind. Der Trend stammt von der Hippie-Bewegung und propagiert günstiges Wohnen auf kleinstem Raum. Diese Häuschen sind funktional eingerichtet, oft maßgefertigt und lassen sich auch mittels Radachse von einem Ort zum nächsten transportieren. Die Minihäuser sind mehr als ein Internet-Phänomen: Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 30 Anbieter, die Tiny Houses bauen. Sogar Tchibo hatte die Knastzellen-großen Häuschen im Angebot.

Verkaufsfördernde Sehnsüchte

Der Grundgedanke dieser Bewegung ist dabei gar nicht das Problem: Minimalismus, die Reduktion auf das Wesentliche und bewusstes Wohnen im Einklang mit der Natur erwecken in vielen Großstadt-Mietern Sehnsüchte nach einem einfachen, achtsamen und umweltfreundlichen Leben. Genau diese Wünsche machen Tiny Houses zu einem wahren Marketing-Coup. Dieser spielt mit der Verlockung, sich einen unerreichbaren Traum zu erfüllen und es seinen Eltern und Großeltern gleich zu tun, nur eben viel viel kleiner und nicht im Wirtschaftswunder-Deutschland. Die Vorstellung, sich auch ohne großes Budget den Traum vom Eigenheim zu finanzieren, – am liebsten auf der grünen Wiese– ist dabei nicht die größte Illusion.

Selbstbeschränkung als Selbstgeißelung

Und hier fängt schon das erste Problem an: Tiny Houses sind eben keine kostengünstige Lösung für die Wohnraumprobleme in deutschen Städten. Von wegen alternatives Luxus-Hippie-Leben: Entscheidet man sich für ein mobiles Haus auf Rädern, muss man es als Ladung anmelden, sonst gelten sie als Wohnwagen. Diese dürfen für höchstens zwei Wochen unbewegt an einem Platz stehen – auch nur dort, wo es erlaubt ist, denn nach Baunutzungsverordnung darf man auf Campingplätzen nicht wohnen.

Will man hingegen einen festen Wohnsitz, muss man sich an die Bauverordnung halten: Wasser, Abwasser, freie Rettungswege – bei der Baugenehmigung und beim Erschließen eines Baugrundstücks gilt das gleiche Recht wie bei einem gewöhnlichen Einfamilienhaus.

Pinterest-Baracken für die Oberschicht

Der Hype um Tiny Houses steigt parallel zu den Immobilienpreisen, doch wer denkt, dass er mit einem Mini-Häuschen günstiger lebt, wird sich wundern. Ein Quadratmeter Tiny House kann schon mal 4.000 Euro kosten. Maßangefertigte Luxus-Tiny-Houses sprechen genau die Oberschicht an, die in den Städten die Mieten hochtreibt. Die effizienteste Art der Raumnutzung in Großstädten ist Nachverdichtung: Könnte jeder ein Tiny House irgendwo aufbauen, würde es wohl bald Lifestyle-Slums wie aus dem Instagram-Bilderbuch geben.

Mobiles Wohnen in aufgehübschten Pinterest-Baracken ist eben keine Lösung für Wohnungsnot und hohe Mieten: Ein etwas größeres Wohnzimmer ist vielleicht für eine Person ausreichend, eine Stadt kann damit keine Probleme lösen, zumal die Idee des Konzepts ironischerweise auf dem romantisierten Leben im Grünen basiert.

Camping-Feeling als Alltag

Der eigentliche Rückschritt besteht aber im Komfort: Wer will ernsthaft ständig auf 30 Quadratmetern wohnen? Für ein paar Tage in einer Schuhschachtel zu leben, ist vielleicht ganz lustig, aber wer freiwillig Camping-Feeling zum Alltag macht, hat etwas Grundlegendes nicht verstanden: „Normale“ Wohnungen sollten bezahlbar und komfortabel sein. Wenn diese Bewegung auch nur eine einzige gesellschaftliche Diskussion anregen will, dann bitte über prekäre Wohnsituationen und nicht über neurotischen Minimalismus und Aussteigertum einer weltfremden Schicht, die lieber mal Camping-Urlaub zwischen Deutschland-Flaggen machen sollte.

Natürlich ist selbst in der allerkleinsten Hütte Raum, wenn der Staat sozialen Wohnungsbau nicht ausreichend fördert. Doch den gibt es – mit Blick auf andere Großstädte wie Wien – durchaus auch in „schön“ und leistbar.