Der schwer geistig behinderte Tischtennis-Spieler Hartmut Freund aus Bietigheim-Bissingen ist für ein internationales Turnier in Australien gemeldet. Doch weil seine Medaillenchancen gering seien, zahlt der Verband die Teilnahme nicht. Nun startet der Bruder eine Spenden-Kampagne.

Bietigheim-Bissingen - Seit ein paar Tagen macht auf Facebook ein Video die Runde. Es zeigt den geistig behinderten Tischtennisspieler Hartmut Freund und seinen Bruder Norbert Freund Arm in Arm. Norbert Freund erklärt, dass sein Bruder im Oktober an den Global Games in Australien teilnehmen möchte – eine Art Paralympics für geistig Behinderte. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hat ihn zwar als einzigen Deutschen Sportler dort gemeldet, die Startgebühr muss Freund aber selbst bezahlen – und das ist schwierig bei einer Erwerbsminderungsrente auf Sozialhilfeniveau, wie sein Bruder Norbert im Video sagt. Deswegen hat er eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.

 

3500 Euro sollen damit bis Mitte Oktober zusammenkommen. Hartmut, das sieht man, weiß im Video nicht so recht, wie ihm geschieht, er wiederholt nur die letzten Worte in den Sätzen seines Bruders, „Behinderung“, „Kreis Ludwigsburg“, „Sport“, „fliegen“, „Geld“.

Vielleicht weiß er gar nicht, worum es gerade geht und was eine Crowdfunding-Kampagne ist. Er hat einen Intelligenzquotienten von 46, was als schwer geistig behindert gilt und dem geistigen Niveau eines Sechsjährigen entspricht.

An der Platte geht Hartmut Freund ganz aus sich heraus

Wer aber einmal gesehen hat, wie der schüchterne und ruhige 51-Jährige an der Tischtennisplatte aufgeht, ja regelrecht explodiert und Freudenschreie ausstößt, wenn er seinen Gegner in schnellen Konterblocks die Bälle um die Ohren haut, der weiß, dass Hartmut sehr gerne Tischtennis spielt – und das auf hohem Niveau. Erst jüngst hat er als Spieler des TTC Bietigheim-Bissingen bei den Tischtennis-Bezirksmeisterschaften den dritten Platz im Einzel der Senioren über 50 Jahren belegt – gegen Gegner ohne eine Einschränkung.

Sein Bruder Norbert ist überzeugt von Hartmut: Vor Jahren gab er seinen Job als Redakteur auf, um ganz für ihn da zu sein, als Trainer, Manager und Pfleger. Für Freund ist Hartmut der „weltbeste Tischtennisspieler mit einer schweren geistigen Behinderung“ – nur gibt es diese Kategorie in internationalen Wettkämpfen bislang nicht. Und deswegen gibt es auch kein Geld vom DBS.

Hartmut ist seinen Gegnern in der Startklasse intellektuell unterlegen

„Ein Kriterium bei der Nominierung für einen internationalen Wettkampf ist die Medaillenperspektive“, sagt Marc Möllmann, der stellvertretende Sportdirektor beim DBS. Da Hartmut Freund in derselben Startklasse spielt wie Menschen mit einer weniger schweren geistigen Behinderung, also einem IQ zwischen 60 und 75, ist er seinen Gegnern in Sachen Spielintelligenz unterlegen. Möllmann geht sogar noch weiter: „Hartmut Freund ist international nicht konkurrenzfähig“. Ein Satz, der seltsam anmutet in Anbetracht der Tatsache, dass Hartmut Freund im vergangenen Jahr bei einem Europa-Turnier in Paris Bronze im Einzel geholt hat – der Veranstalter war derselbe Verband wie nun in Australien. Auch bei den Weltspielen der Special Olympics in Abu Dhabi im März holte Freund im Einzel und im Doppel jeweils Silber in der stärksten Leistungsklasse.

Laut Möllmann liege der Fokus des DBS ohnehin auf den Paralympics, nicht auf den Global Games, die von einem anderen Verband ausgetragen werden und für die Weltrangliste von geringerer Bedeutung seien. Man habe beim betreffenden Weltverband beantragt, eine zweite Startklasse für Sportler mit schwerer geistiger Behinderung einzuführen. Das werde derzeit geprüft. Da warte man nun die Ergebnisse ab, ehe man beim Tischtennisweltverband auch anfrage.

Für die Freunds müssen es nun also private Spenden richten, damit Hartmut nach Australien kann. Knapp 2000 Euro sind bereits zusammen gekommen, 16 Tage läuft das Crowdfunding noch (Stand Freitag 17 Uhr). Dimitrij Ovtcharov, der aktuelle Weltranglistendritte im Herren-Tischtennis, habe auch schon gespendet und wolle die Kampagne auf seiner Facebook-Seite unterstützen, sagt Freund. Für besonders spendable Unterstützer gibt es ein Extra: eine exklusive Trainingseinheit mit Hartmut Freund. Da kann man sich dann selbst davon überzeugen, wie konkurrenzfähig er ist.

Hier gehts zur Crowdfunding-Kampagne: https://kam-on.de/projekt/global-games-mit-hartmut