„Surprise“ haben die Hohenheimer Wissenschaftler ihre Titanwurz getauft – und der Name ist offenbar Programm. Sie wächst munter in die Höhe, ihre Blütenpracht, die nur 24 Stunden dauert, hat sie aber noch nicht entfaltet.

Stuttgart - Je nach Tages- und Nachtzeit sind es mal mehr 70, mal 17 Zuschauende – allein ist die Titanwurz an der Universität Hohenheim nie, virtuell gesehen. Seit sie vergangene Woche ihre Hüllblätter fallen ließ, klicken sich nicht nur Pflanzenfreunde immer wieder in den Livestream der Hochschule, um mitzuerleben, wie die größte Blume der Welt erblüht. Dabei wird sie im Chat mit Witz und Leidenschaft angefeuert. Von „Mach, mach mach“ über „Geh auf, wenn die Mensa aufhat, dann muss man nit 2-mal zur Uni dackeln“ über „Lol, was mach ich hier“ lauten die Kommentare. Manche werden langsam ungeduldig. So schreibt „virtualvisioneer“: „Ich hoffe, da geht mal bald was - mein Popcorn geht langsam zur Neige...“, während „MemeExperte“ kommentiert: „Save ist die aus Plastik und des ist der Troll des Jahrhunderts“.

 

Ein Duft nach Aas und Kot

Das ist die Titanenwurz auf den Fildern freilich nicht, die 2019 den Hohenheimer Gärten vom Palmengarten Frankfurt überlassen wurde. Dass sie erblüht, ist eben extrem selten und ein Geduldsspiel. In der Regel entfaltet die Pflanze, die zur Familie der Aronstabgewächse gehört, ihre Blütenblätter alle zwei bis drei Jahre – und dann auch nur 24 Stunden lang. „Ein Exemplar ist bekannt, das nach zehn Monaten wieder blühte“, erklärt Robert Gliniars, Botaniker an der Uni Hohenheim.

Die Titanwurz sei für Überraschungen gut. Deswegen hat das Hohenheimer Team sie auch „Surprise“ getauft. Üblich bei allen Exemplaren ist indes, dass sie sich während der Blüte auf 38 Grad aufheizen, um ihren Geruch weit zu verbreiten, so Insekten der Bestäubung wegen anzulocken. Ein Duft, der menschlichen Nasen weniger genehm ist: Die blühende Titanenwurz riecht nach Aas und Kot.

Spannendes Neuland für die Hohenheimer Forscher

Wann das in Hohenheim wahrzunehmen ist? Botaniker Glinias schätzt ab Donnerstag, spätestens zum Wochenende dürfte es so weit sein. Noch sei das Plateau der Wachstumsphase, in dem sich die Pflanze derzeit befinde, noch nicht erreicht. „Sie wächst gerade vier bis fünf Zentimeter pro Tag. Wenn dieses Höhenwachstum beendet ist, öffnet sich die Blüte in die Breite.“ Außerdem sei kurz davor ein Spalt in der Blüte erkennbar. „Einen Tag zuvor tritt am Blütenboden eine klare, übel riechende Flüssigkeit aus.“ Bisher sei das noch nicht zu beobachten gewesen. Aber er ist guten Mutes, dass das bald geschieht. „Wir werden das am Mittwoch nochmals genauer untersuchen. Es ist auch für uns spannendes Neuland.“