Der Bundesstaat Utah in den USA führt wieder die Hinrichtung durch ein Erschießungskommando ein. In den USA werden die Chemikalien für Giftspritzen knapp.

Washington - Die fünf Scharfschützen postierten sich hinter einer Wand und richteten ihre Gewehre durch Schlitze in der Mauer auf Ronnie Lee Gardner. Eine der Waffen war mit einer Platzpatrone geladen. Hinterher sollte keiner der Henker wissen, ob es seine Kugel war, die den Delinquenten getötet hatte. Gardners letzte Worte waren, dass er keine letzten Worte habe. Der Todeskandidat trug eine dunkelblaue Gefängnisuniform. Auf seiner linken Brustseite war eine Zielscheibe aus weißem Tuch angebracht. Am 18. Juni 2010 fielen kurz nach Mitternacht die Schüsse im Gefängnis von Draper im US-Bundesstaat Utah. Vier Kugeln zerfetzten das Herz des zweifachen Mörders. Gardner, so beschrieb es ein Zeuge später, habe noch die linke Hand zur Faust ballen können, den Mund unter der Haube aufgerissen, die sein Gesicht verhüllte, und sei dann gestorben.

 

Die bislang letzte Hinrichtung durch ein Erschießungskommando in der Geschichte der USA brachte den Justizbehörden in Utah damals heftige Kritik ein. Viele Amerikaner fragten sich, ob die alten Wildwestmethoden wieder in Mode gekommen seien. Nun könnte die Empörung wieder aufflammen. Denn der Gouverneur des Staates im Westen Amerikas hat ein Gesetz unterschrieben, dass den Einsatz sogenannter „Firing Squads“ als Alternative zur Giftspritze vorsieht. In der Regel werden in den 32   Bundesstaaten der USA, in denen die Todesstrafe gilt, Injektionen mit tödlichen Substanzen für Hinrichtungen verwendet. Die Zuverlässigkeit der Chemie-Cocktails hat allerdings nachgelassen, seit die US-Gefängnisse nicht mehr an erprobte Substanzen herankommen.

Hospira, die einzige Firma, die das Betäubungsmittel Thiopental in den USA produzierte, stellte die Herstellung 2010 ein, und Lieferungen aus der Europäischen Union stocken seit 2011. Europäische Hersteller von Mitteln wie Natrium-Thiopental und Pentobarbital weigern sich seit einigen Jahren aus ethischen und moralischen Gründen, die Mittel in die USA zu liefern, wenn sie für Hinrichtungen verwendet werden. So hat der dänische Hersteller von Pentobarbital die Lieferungen in die USA eingestellt. Auch der deutsche Konzern Fresenius hat nach Medienberichten den Export des Narkosemittels Propofol, das als Alternative galt, stark eingeschränkt. US-Abnehmer müssen sich verpflichten, die Substanz nicht an Gefängnisbehörden abzugeben.

Boykott aus Europa ließ die Giftvorräte schmelzen

Der Boykott aus Europa hat die Giftvorräte in den USA dramatisch verringert. Utah etwa hat überhaupt keine Lagerbestände mehr, in Texas haben die Behörden nur noch eine Dosis vorrätig. Experimente mit anderen Giftmischungen, die in vielen Fällen geheim gehalten werden, gelangen mitunter nicht. Die Todeskandidaten starben erst nach langen Qualen. In Arizona dauerte der Todeskampf eines Delinquenten fast zwei Stunden.

Mittlerweile beschäftigt sich auch der Oberste Gerichtshof der USA mit der Frage, ob der Einsatz der Ersatzsubstanzen womöglich gegen die Verfassung verstößt. Darin ist festgeschrieben, dass Hinrichtungen nicht grausam verlaufen dürfen, sondern zu einem schnellen und möglichst schmerzfreien Tod der Delinquenten führen müssen. Injektionen mit Ersatzmischungen gelten den Gegnern der Todesstrafe in den USA als „Chemie-Experimente am lebendigen Leib“.

Auch der Einsatz von Stickstoff wird diskutiert

Umso hektischer verläuft deswegen die Suche nach Alternativmethoden für die Giftspritze. Die Wiedereinführung der Erschießungskommandos, wie sie Utah gerade beschlossen hat, wird auch in den Bundesstaaten Wyoming und Arkansas debattiert. In Alabama und Tennessee votierten die Parlamente im vergangenen Jahr dafür, den elektrischen Stuhl wieder in Betrieb zu nehmen. In anderen Staaten ist im Gespräch, Delinquenten wieder in die Gaskammer zu schicken. Und in Oklahoma hat ein republikanischer Abgeordneter ein Gesetz vorgelegt, das den Einsatz von Stickstoff vorsieht, um die Todeskandidaten umzubringen. Das sei human und überdies kostengünstig, sagte der Abgeordnete Mike Christian. Setzt sich der Republikaner mit seinem Vorschlag durch, dann würden Todeskandidaten in Oklahoma gewissermaßen auf eine Stufe mit Puten, Hühnern und Schweinen gesetzt. Denn nach einer Weisung des amerikanischen Tierarztverbandes ist nur bei diesen Tierarten eine Tötung mit Stickstoff erlaubt.