Maid-Cafés galten einst als Japans skurrilste Subkultur. Jetzt sind sie zur Popkultur avanciert. Die Maids fühlen sich bedroht.

Tokio - Rico feiert Geburtstag. Sie hat den Raum mit Luftschlangen und Konfetti dekoriert, aus Buntpapier die Zahl 17 ausgeschnitten und mit Fingerfarben "Happy Birthday" an die Fensterscheiben geschrieben. Für ihre Freunde gibt es Eistee und Pfannkuchen, die Rico mit Schokoladeneis und Bananenstückchen in Pandabären verwandelt hat. Dazu wird gesungen und getanzt. Zum Abschied bekommt jeder ein Erinnerungsfoto, auf das Rico mit Glitzerstift Herzchen und Blümchen gemalt hat. Sie macht es ihren Gästen leicht zu glauben, sie seien tatsächlich zu einem Mädchengeburtstag eingeladen. Dabei ist die Feier nur ein Spiel.

Rico heißt nicht Rico - keiner ihrer "Freunde" kennt ihren echten Namen. Sie hat auch nicht Geburtstag, schon gar nicht ihren 17. "Die Frage nach der Wirklichkeit hat hier nichts zu suchen", sagt die Mittzwanzigerin mit strengem Blick und ist dann sofort wieder in ihrer Rolle: Singend rührt sie dem Gast Zucker in den Kaffee. Ihre Kleidung ist eine Kreuzung zwischen viktorianischer Dienstmädchengarderobe und Mickymauskostüm: weiße Spitzenschürze, rosa Tüllröckchen, weiße Plüschöhrchen. Es ist die typische Arbeitskleidung in den Maid-Cafés von Tokios Szenestadtteil Akihabara, einer der skurrilsten Subkulturen Japans. Tokioter gönnen sich hier eine Auszeit und tauchen in Fantasiewelten ab, in denen das Leben so sorglos ist wie das eines Kindes.

"Unser Job ist, Fröhlichkeit zu verbreiten", erzählt Rico aus dem Café MaiDreaming. Ihre Gäste sind vor allem Angestellte mit Schlips und Anzug, doch sobald sie das kleine Café im zweiten Stock über einem Computergeschäft betreten, lachen und albern sie wie aufgekratzte Teenager. Dabei sind der Feierabendpubertät enge Grenzen gesetzt: Sexuelle Avancen gegenüber den Maids sind streng verboten, auch die private Kontaktaufnahme ist untersagt.

Mit dem Dienst- und Schulmädchenfetisch, einem festen Genre der florierenden japanischen Pornoindustrie, wollen die Maid-Cafés nichts zu tun haben. "Maid-Cafés sind helle und sichere Orte", sagt Hitomi, die wie alle ihre Kolleginnen für immer 17 Jahre alt ist und auf die Frage nach ihrer Herkunft erzählt, sie sei in einem Blumengarten geboren und in einer Tulpenblüte aufgewachsen. Von ihrem ersten Job einem der ältesten Tokioter Maid-Cafés, "@home", hat sie es zu nationaler Berühmtheit gebracht - als Sängerin in einer Maidol-Band. "Ich habe immer gute Laune und freue mich, wenn ich andere damit anstecken kann", sagt sie. Eine Stunde hat sie dafür Zeit - denn nach 60 Minuten muss man im @home-Café zahlen und Platz für die nächsten Gäste machen, die oft schon im Treppenhaus Schlange stehen. 2000 Yen (16 Euro) kostet das Vergnügen, wer mit den Maids noch Karaoke singen will kommt leicht auf 10.000 Yen (80 Euro).

Wenn das Herz von innen rosa wird


Die Maid-Kultur hat ihren Ursprung bei den Otaku, den Fans der Manga-Comics, die sich mit Kostümen in ihre Fantasiehelden verwandeln. "Otaku werden vom Rest der Gesellschaft oft als Spinner angesehen, aber in Akihabara haben sie ihre eigene Infrastruktur geschaffen", sagt der amerikanische Soziologe Patrick Galbraith, Verfasser der "Otaku Encyclopedia" und einer der wenigen Ausländer, die Zugang zu der geschlossenen Szene gefunden haben - nicht zuletzt, weil er selbst gern in die Verkleidung des Superhelden Goku schlüpft. "Die meisten Otaku haben im wirklichen Leben normale Jobs, aber daneben tauchen sie in ihre Fantasiewelt ab, wo alles möglich ist."

Da auch Dienstmädchen häufig in Mangas und Trickfilmen auftauchen, machte eine Gruppe von Fans Ende der Neunziger das erste Café auf, das sich speziell an Maid-Begeisterte wendete. Das Ziel war, die Gäste in jenen Glückszustand zu versetzen, den die Otaku "moe" nennen. Das Wort klingt genüsslich in die Länge gezogen nicht zufällig nach Katzenschnurren. Sich "moe" zu fühlen bedeutet, in Wohlsein zu versinken. "Moe ist, wenn dein Herz von innen rosa ist", sagt Hitomi. "Aber kein komisches Rosa, sondern ein warmes, helles."

Mehrere Jahre konnte die Otaku ungestört nach "moe" suchen, doch dann entdeckten japanische Medien die Maid-Cafés. Seitdem ist es mit der Ruhe vorbei. Neugierde und die japanische Lust an schräger Unterhaltung machte die Subkultur innerhalb kürzester Zeit zur Popkultur. "Die Zahl der Cafés hat sich in den letzten Jahren vervielfacht", sagt Galbraith. Mehr als 50 Maid-Etablissements gibt es inzwischen in Akihabara. Sie tragen Namen wie Pinky Café oder Pure Heart, und man muss sie nicht mehr in verborgenen Winkeln suchen, sondern wird auf der Straße von Maids angesprochen. Tokios Tourismusbehörde hat sogar einen Maid-Stadtplan herausgegeben, denn die Regierung hat beschlossen, Akihabara zum Aushängeschild der Kreativindustrie zu machen.

Doch das kleine Glück in der Nische taugt nicht zur Massenvermarktung. "Viele Otaku sind über die Entwicklung nicht glücklich", sagt Galbraith. Schließlich lebt die Stimmung in Maid-Cafés davon, dass alle das gleiche Spiel spielen - Schaulustige stören die Illusion. Um ihre Kultur zu schützen, gründeten die Maids einen Berufsverband, der unter anderem eine Prüfung konzipierte, die kontrollieren soll, ob die Hunderten von neuen Maids tatsächlich ihre Aufgaben kennen. "Was macht man, wenn ein Kunde sagt: Mein Kaffee ist zu heiß, ich habe mir die Zunge verbrannt?" lautet eine der Fragen. Die richtige Antwort: "Überprüfe, ob es dem Kunden gutgeht, entschuldige dich und tröste ihn so lange, bis der Kaffee abgekühlt ist."