Tom Franklins grotesker „Smonk“ hat 2017 ziemlich eingeschlagen in der Szene. Andere, deutlich ruhigere Töne schlägt er in „Krumme Type, krumme Type“ an. Hans Jörg Wangner hat das Buch für Killer & Co. gelesen, sein Urteil: erneut ein großes Stück Literatur.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Larry Ott, Anfang 40, ist das, was man gemeinhin ein armes Schwein nennt. Oder aber, wenn man es übel mit ihm meint, er ist mutmaßlich ein Vergewaltiger und Mörder. Auf jeden Fall ist er eine krumme Type, eine krumme.

 

Ott fristet sein Dasein irgendwo in Ost-Mississippi, dort, wo es neben vielen Rednecks noch mehr Moskitos und Schlangen gibt. Kein Mensch bringt sein Auto zur Reparatur in Otts Werkstatt, sein Leben und das seiner Mutter im Altenheim finanziert der Mann mit dem Ausverkauf seines ererbten Landes.

Schon als Kind war Larry, einer der beiden schillernden in Tom Franklins „Krumme Type, krumme Type“ ein Außenseiter. Einer, dessen Mutter darum betete, dass er einen Freund finde. Einer, der sich auf der Suche nach Freunden zu Rassismen hinreißen ließ, was ihn aber dann noch tiefer in die Isolation trieb. Einer, der ein Mal, ein einziges Mal ein Date mit einer gleichaltrigen Schönheit hatte – die ihn aber bloß ausnutzte und gleich anschließend spurlos verschwand. Einer, dessen Leben unter dem abgewandelten Westernmotto: „Ein Mann muss erdulden, was ein Mann erdulden muss“, stehen könnte.

Ein moderner, mittelloser Hiob

Larry Ott ist also ein moderner Hiob – wobei ihn von seinem biblischen Vorbild unterscheidet, dass er nie etwas Nennenswertes besaß. Kein Wunder, dass er unter dringenden Tatverdacht kommt, als wieder ein Mädchen ermordet wird. Dass er kurz nach dem Tod der jungen Frau mit einem lebensgefährlichen Bauchschuss im Krankenhaus landet, entlastet ihn in den Augen der Polizei und der Leute nicht. Dennoch macht sich der schwarze Constable Silas Jones daran, den Fall aufzuklären.

Die Aufklärung dreier Morde (nebenbei wurde auch noch ein örtlicher Kleindealer getötet) ist der eine, erzählerisch sehr geschickt und spannend gestaltete Aspekt des Romans, der es 2011 nicht von ungefähr auf die Bestsellerliste der New York Times gebracht hat. Viel relevanter ist aber, wie Tim Franklin mit dem Thema Ausgrenzung umgeht. Er zeigt die innere Tragik von Menschen, gleich welcher Hautfarbe, denen die Umwelt nicht die geringste Chance gibt. Das macht die Größe dieses Romans aus (auf den sich übrigens die baden-württembergischen Abiturienten vom nächsten Jahr an als Prüfungsstück freuen dürfen – und die dann vielleicht privat gleich auch noch den ungleich wüsteren Smonk lesen).

Tom Franklin: Krumme Type, krumme Type (Originaltitel: Crooked Letter, Crooked Letter). Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl, Lektorat Angelika Müller, 412 Seiten, Pulp master, 15,80, auch als E-Book