Ein aufgeschnittenes Bein, depressive Briefe: Im April wurde ein 22-Jähriger tot in seiner Zelle in der JVA Bruchsal gefunden. Justizminister Stickelberger beharrt darauf, dass bei dem 22- Jährigen keine Suizidgefahr zu erkennen gewesen sei. Das sehen nicht alle so.

Stuttgart - Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat Vorwürfe zurückgewiesen, der im April in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal verstorbenen Maximilan S. sei trotz suizidaler Gefährdung sich selbst überlassen worden. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Bernhard Lasotta berichtet Stickelberger von einer „engmaschigen“ Betreuung des Gefangenen durch Ärzte und Psychologen. Maximilian S. war am Morgen des 8. April tot in seiner Zelle aufgefunden worden.

 

Die Todesursache blieb zunächst unklar, allerdings wurde im Körper des 22-Jährigen Methadon nachgewiesen. Und dies, obwohl er an keinem Methadonprogramm teilgenommen hatte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ordnete nach der Obduktion weitere toxikologische Untersuchungen an, deren Ergebnisse laut Justizministerium inzwischen vorliegen. Laut einem psychiatrischen Gutachten sei S. vor seiner Verhaftung weder alkohol- noch drogenabhängig gewesen, habe aber unter einer Persönlichkeitsstörung gelitten.

Stickelberger schreibt in seiner Antwort an Lasotta, die Anstaltsbediensteten in Bruchsal hätten nach dem Tod des Gefangenen übereinstimmend erklärt, dass sich bei S. während der Haft keinerlei Hinweise auf eine Selbstmordgefährdung ergeben hätten. Der Gefangene habe regelmäßig mit dem psychologischen Dienst gesprochen, zuletzt eine Woche vor seinem Tod. Auch der Umstand, dass sich S. Anfang Februar mit der Rasierklinge ein Bein aufgeschnitten hatte und ins Krankenhaus gebracht werden musste, weise nicht auf Selbstmordabsichten hin. „Eine Suizidalität wurde vom behandelnden Arzt im Krankenhaus und vom damaligen Anstaltsarzt ausgeschlossen.“ Klaus Harsch, der Maximilian S. zivilrechtlich vertrat, sieht das ganz anders. Er verweist auf Briefe des Gefangenen an einen Freund in der JVA Heimsheim, in denen dieser in zum Teil sehr drastischen Worten seine Situation beschrieb: „Sie haben es geschafft, mich zu brechen, ich habe einfach keine Lust mehr. Ich spüre wie ich langsam die Hoffnung verliere und meine schönen Erlebnisse im Leben vergesse.“ Die Briefe, aus denen die StZ bereits ausführlich zitierte, liegen dem Anwalt vor. Auch dem Justizministerium müssen sie bekannt sein, verweist dieses doch darauf, dass der Briefempfänger in der JVA Heimsheim dem Ministerium die Briefe vorgelegt habe. Dabei habe der Häftling den Justizvollzugsanstalten Heimsheim und Bruchsal vorgeworfen, sie hätten im Rahmen der Briefzensur die Suizidgefährdung des Gefangenen S. erkennen und dessen Tod verhindern können. Anwalt Harsch sagt: „Es ist mir unverständlich, wie die Briefe falsch bewertet werden konnten.“ Der CDU-Abgeordnete Lasotta verweist auf Parallelen zu dem ebenfalls in der JVA Bruchsal verstorbenen, genauer: verhungerten Rasmane K. „Beide Gefangenen zeigten extreme Verhaltensauffälligkeiten, deren frühzeitige Diagnose während der Haft unklar war oder unterblieb.“ Bei S. falle dies besonders ins Gewicht , weil der Justizminister geraume Zeit vor dem Tod von S. eine umfassende Verbesserung im Umgang mit psychisch auffälligen Strafgefangenen ankündigt habe.