Mehr Übernachtungen, mehr Beschäftigte, mehr Umsatz: Der Tourismus im Land hat im vergangenen Jahr enorm zugelegt, sagt der zuständige Minister Guido Wolf bei der Vorstellung einer Studie. Doch er sieht noch Handlungsbedarf.

Stuttgart - Es gibt Redebausteine, die kann der baden-württembergische Justiz- und Tourismusminister Guido Wolf (CDU) auch nachts aufsagen. Dass der Tourismus mit 326 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine nicht zu unterschätzende Branche sei, dieser Satz gehört dazu. Nur muss er jetzt eine neue Zahl einfügen. Denn im vorigen Jahr haben rein rechnerisch 390 000 Menschen mit einem Vollzeitjob in einem touristischen Bereich ihre Brötchen verdient. Zum Vergleich: Der Fahrzeugbau in Baden-Württemberg hatte 2017 laut dem Statistischen Landesamt 229 000 Beschäftigte. „Der Tourismus hat an wirtschaftlicher Bedeutung enorm zugelegt“, sagte Wolf am Freitag bei der Vorstellung einer neuen Studie des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München (Dwif) zu dem Thema.

 

Im Vergleich zu 2015, als die letzte Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Reiseindustrie im Land erstellt wurde, seien alle Kenngrößen gestiegen. So hat die Zahl der Übernachtungen in den vergangenen zwei Jahren von rund 67 auf 72,7 Millionen zugelegt. Das ist ein Plus von 8,6 Prozent. Gegenüber 2007 hat man im vergangenen Jahr sogar ein Viertel mehr Übernachtungen verzeichnet. Etwa jeder fünfte Übernachtungsgast (21,5 Prozent) kam im vergangenen Jahr aus dem Ausland, vor allem aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und den USA. 21,6 Millionen touristische Gäste sind 2017 im Land angekommen (plus sechs Prozent).

Wolf: „Tourismus braucht Menschen“

Die Besucher gaben insgesamt 24,8 Milliarden Euro aus. Damit hat das Bruttoumsatzvolumen seit 2015 um mehr als 22 Prozent zugenommen. Von den Gästen profitiert laut der Studie vor allem das Gastgewerbe, aber auch der Einzelhandel. „Der prosperierende Tourismus nutzt nicht nur den Ballungsräumen, sondern auch dem ländlichen Raum“, betonte der Minister. Die Branche schaffe Arbeitsplätze, die nicht einfach verlagerbar sein: „Tourismus braucht Menschen.“

Besonders stark ist die Zunahme bei den Tagestouristen. 539 Millionen Tagesreisen hatten der Studie zufolge ein Ziel im Land. Das sind gut 43 Prozent mehr als 2015, als 376 Millionen Tagesbesucher in Baden-Württemberg registriert wurden. Der Bruttoumsatz, der im Tagestourismus erwirtschaftet wurde, ist dementsprechend um mehr als 41 Prozent gestiegen.

Land legt neues Tourismuskonzept vor

Nach Angaben von Andreas Braun, dem Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) spiegelt dies einerseits einen Trend, der sich schon länger abzeichnet. Die Aufenthaltsdauer sinke, die Menschen machen lieber öfter, dafür kürzere Urlaubsreisen – oder eben Ausflüge. Zufällige Faktoren haben 2017 das Tagesreisengeschäft zusätzlich befördert, sagt Braun: ein für Ausflügler günstiger Feiertagskalender etwa und die vielen sonnenreichen Tage im vorigen Jahr. Die Aussichten für 2018 sind nicht schlecht. In den ersten fünf Monaten haben die Übernachtungen und die Gästeankünfte gegenüber dem Vorjahreszeitraum jeweils um weitere fünf Prozent zugelegt.

„Wir dürfen nicht selbstgefällig werden“, sagt Wolf, die Branche profitiere aktuell von der guten Konjunktur. Die Landesregierung will deshalb ihre Tourismuskonzeption fortschreiben. Ein erster Entwurf liegt vor, im Herbst soll er in fünf Regionalkonferenzen diskutiert und weiter entwickelt werden. Handlungsbedarf sieht der Minister dabei in der Entwicklung von digitalen Angeboten für Reisende. Auch der Klimawandel stelle bisherige Wintersportregionen vor neue Herausforderungen. Und schließlich gelte es, Parallelstrukturen abzubauen. „Wir wollen Anreize schaffen, dass verschiedene Regionen gemeinsam größere Dachmarken schaffen.“