Libyen, Ägypten und Tunesien präsentieren sich auf der größten Tourismusmesse der Welt. Wie wirbt man für sein Land, wenn dort die Revolution tobt?  

Berlin - Zwanzig Jahre lang hat Mohamed Abdo seinen Traum gepflegt. Tagsüber war er Kellner. Hat die Touristen bedient, ihnen eiskalte Cola serviert und ihre Teller abgeräumt. Und nachts hat er sich vorgestellt, wie es bald sein würde, sein Leben. Ein eigenes Boot. Ein kleines Kreuzfahrtschiff, schneeweiß, in dieser typischen, kastigen Form, wie man sie kennt auf dem Nil. Fünf Decks, oben breitbeinige Liegestühle aus Teakholz und Sonnensegel aus Leinen, unten eine Bar mit Wodkacocktails und Möbeln in Palisandertönen.

 

Mohamed Abdo hat aus dem Traum einen Plan gemacht und aus dem Plan ein Unternehmen. Sechs Jahre hat er an seinem Schiff gebaut. Es hat alles, was er sich für einen perfekten Urlaub vorstellt. Die Gäste können zwischen fünf verschiedenen Kissen wählen, auf die sie ihr Haupt betten. Sie können in der Poolbar sitzen oder in der Sauna oder in der Lounge. Vor drei Monaten ist die MS Farah zu ihrer ersten Kreuzfahrt gestartet. Dann kam die Revolution.

Jetzt steht Mohamed Abdo in Halle 23 der Messe Berlin auf der Internationalen Tourismusbörse. Hier präsentiert sich Ägypten. Wie aber wirbt man für ein Land, in dem nichts mehr ist, wie es war, und niemand weiß, wie es sein wird? Die Ägypter haben darauf eine Antwort gefunden: Man tut es eben mit allem, was man hat. Weil es um alles geht.

Revolution als Verkaufsargument

Zwei Stockwerke hat der Messestand. Man sieht Palmen, Pyramiden und Sarkophage. Aber der Verkaufshit ist die allerjüngste Geschichte: mit Bildern von Menschenmassen bei einer Demonstration. "Tahrir - ein Platz rockt die Welt" steht auf einem Plakat. "Online-Revolution made in Ägypten" ist auf einem anderen Plakat zu lesen. Ein Veranstalter wirbt mit dem Satz: "Präsidentensuite frei".

Die Revolution ist zum Verkaufsargument geworden. Mohamed Abdo ist darüber nicht glücklich. "Wir sind mitten in einem Umwälzungsprozess", sagt er. "Keiner weiß, was als Nächstes passiert. Wenn wir unseren Gästen jetzt nicht die Wahrheit erzählen, wie sollen sie uns in Zukunft glauben?" Abdo hat 116 Angestellte. Er weiß nicht, wovon er sie in diesem Monat entlohnen soll. Er glaubt, dass Ägypten jetzt einen Preis bezahlen muss."Es geht hier um Freiheit und nicht darum, mit dem Tahrir-Platz die Welt zu rocken", sagt er.

"Was außer Werbung sollen wir sonst machen?", sagt Naama Tawfik. Am 25. Januar stand sie selbst auch auf dem Tahrir-Platz. Und jetzt steht sie im Neonlicht des deutschen Winters in einer Messehalle und versucht, diesen Spagat zu erklären: "Wir müssen für unser Ägypten arbeiten, sonst werden wir keine Kraft für den Wandel haben." Auf dem Tresen vor ihr liegen edle fliederfarbene Prospekte, die eigentlich einen Trend auf dieser Messe starten sollten: Wellness in Ägypten - von Kleopatra lernen. Naama Tawfik trägt einen weißen Schleier auf ihrem Kopf, er wird gehalten von zwei Tüchern in den Nationalfarben.

Nordafrika wünscht sich Solidarität

Die Reisefachfrau würde gerne über Badelandschaften in Luxushotels sprechen, über Thalasso und Eselsmilchbäder. Aber wie? Also verteilt Tawfik kleine Landesflaggen, die zu einem Souvenir der Revolution werden sollen - wie Stücke von der Berliner Mauer. Dann erzählt sie vom Stolz auf ihr Land. Und von der Angst davor, wie es weitergeht. Wie soll sich die Region stabilisieren ohne das Geld der Reisenden? Wie soll eine Demokratie wachsen ohne funktionierende Wirtschaft? Jeder achte Ägypter lebt vom Tourismus. "Ihr dürft keine Angst haben, zu uns zu kommen", sagt Naama Tawfik, und sie weint dabei. "Kommt einfach", sagt sie.

Es ist Solidarität, was sich die Menschen in Nordafrika von ihren Gästen wünschen. "Sie hier in Berlin wissen doch, wie das war, mit der Revolution", sagt der neue tunesische Tourismusminister Mehdi Houas. "Wir brauchen ein Zeichen Ihrer Freundschaft, kommen Sie zu uns zurück." Houas war bis vor zwei Monaten Geschäftsführer eines Unternehmens in Frankreich. Er ging zurück nach Tunis, um seinem Land zu helfen. Er spricht mit Rührung von den Demonstrationen, von denen, "die auf die Straße gingen, obwohl sie wussten, es wird geschossen". Er ist überzeugt davon, dass sein Land sich erneuert. "Wir werden auch einen anderen Tourismus bekommen. Früher haben wir die Reisenden am Strand geparkt", sagt er.

Und malt das Bild eines Kultur- und Städtetourismus in leuchtenden Farben. Es wird dauern, das weiß er, das Land hat ganze andere Probleme. Aber es ist sein Job zu hoffen: 40 Prozent leben von dieser Branche. Die Zahl der Buchungen hat sich halbiert, die Preise für Reisen sind im Keller. Eine Woche Tunesien oder Ägypten all inclusive ist derzeit für zwischen 200 und 300 Euro zu haben. Houas weiß wie alle Profis hier, dass die laufende Saison verloren ist. Aber ein Verkaufsagent am Tunesienstand formuliert es so: "Wenn wir jetzt nicht Gesicht zeigen, was soll dann in Zukunft passieren?"

Friedliches Tripolis

Unter diesem Aspekt muss man wohl auch den großen Stand Libyens betrachten, der ein paar Hallen weiter sehr friedfertig wirkt. Tourismus ist hier nicht existenzsichernd - aber die Präsentation eines Staates, der keiner auf Abruf ist, offenbar schon. Der Stand ist eine Landschaft aus weißen Lackstühlchen, es gibt Datteln als Zeichen der Gastfreundschaft. Bilder zeigen Jeeps im Wüstensand und die Säulen von Leptis Magna im Sonnenuntergang - Safari und Welterbe als Reiseziel. Hinter dem Tresen stehen Männer in breitschultrigen Anzügen mit dicken Uhren.

Abuzed Zakharia ist einer von ihnen. "Im Moment ist der Tourismus gestoppt", gibt er zu. "Aber nicht für lange." Unruhen? Zakharia erzählt von einem friedlichen Tripolis, wo er lebt und von wo aus er vor ein paar Tagen in Richtung Berlin gestartet ist. Wie ist es in seiner Heimat, woran denkt er, wenn er hier zwischen Messeständen steht und ihm die ganze Welt zu Füßen liegt? Zakharia blickt sehr ernst. Er sagt, er verstehe die Frage nicht. Dann also Tourismus: Wie wird es weitergehen mit seinem Land, mit seiner Branche?

Zakharia erzählt von einem Masterplan, nach dem aus 135.000 Reisenden binnen 15 Jahren 4,6 Millionen werden sollen. Er sagt, er hat daran keinen Zweifel. Es sei ein Regierungsplan. "Es ist keine Frage, dass die Regierung bleiben wird", sagt er und blickt sehr ernst. "Es ist doch eine gute Regierung, oder?"

Reisen mit Risiken

Libyen: Das Auswärtige Amt warnt vor dem Hintergrund anhaltender Unruhen vor Reisen nach Libyen und fordert Deutsche mit Nachdruck auf, das Land zu verlassen, sofern dieses als sicher erscheint. Reisenden im Land wird empfohlen, Menschenansammlungen zu meiden. Eine solche Reisewarnung besteht auch für den Jemen.

Ägypten:
Das Ministerium rät, Reisen hierhin bis auf weiteres auf Kairo, die Urlaubsgebiete am Roten Meer, die Touristenzentren in Oberägypten und auf geführte Touren in der Weißen und Schwarzen Wüste zu beschränken. Die Sicherheitslage sei unübersichtlich. Menschenmengen sollte man meiden, Ausgangssperren strikt beachten und die örtliche Medienberichterstattung verfolgen.

Tunesien: Reisen hierhin sollten auf die Badeorte beschränkt und Hotelanlagen nur für organisierte Touren verlassen werden. Das Ministerium verweist darauf, dass im Land weiterhin der Ausnahmezustand ausgerufen ist. Auch hier gilt: Menschenansammlungen meiden.