Alpen-Chic in Stuttgart ist nicht mehr altbacken sondern angesagt wie nie zuvor - doch auch die Trachten sind der Mode unterworfen.  

Stuttgart - Die Zeiten, in denen Trachten als kitschig und altbacken galten, sind vorbei. Längst sind Dirndl und Lederhosen nicht nur auf dem Münchener Oktoberfest schwer angesagt, sondern auch beim Volksfest auf dem Cannstatter Wasen- und jetzt sogar beim Frühlingsfest, wo in den Zelten bei offiziellen Anlässen das Gros der Gäste selbstverständlich Alpenmode trägt. Kurz: Dirndl und Krachlederne sind salonfähig geworden und beliebt wie nie zuvor - weshalb Stuttgarter Modegeschäfte und Designer für die Frühlingsfestsaison 2011 neue Trends kreiert haben.

 

So erinnert die "Original Wasentracht" des niederbayerischen Herstellers "Spieth & Wensky", die seit 2008 von der Veranstaltungsgesellschaft "In Stuttgart" vertrieben wird, bewusst an württembergische Volkstrachten aus dem 19. Jahrhundert. Doch in ihrer neuen "Württemberg-Kollektion", die seit Beginn des Frühlingsfestes auf dem Wasen und im Handel erhältlich ist, setzen Designer und Projektpartner neben traditionellen Elementen wie einem eingestickten Württemberg-Logo auf aktuelle Farben, moderne Schnitte und neue Materialien. So sind aktuell Dirndl aus Pannesamt oder in Leinen-Seidenoptik in verschiedenen Längen und Rottönen zu haben. Kombiniert werden sie je nach Rocklänge mit einer weißen oder grünen Schürze. Männer haben bei der Wasentracht die Wahl zwischen einer Kniebund- und einer langen Hose aus Ziegenvelours, die mit einer rot-schwarzen Weste und verschiedenfarbigen Jacketts getragen werden kann.

Schlichte und elegante Dirndl aus Seide

"Weil die Nachfrage immer größer wird, haben wir die Kollektion in den vergangenen Jahren erweitert und bieten neben Herren- und Damentrachten seit 2009 auch Trachten für Kinder an", erklärt Marcus Christen, der Abteilungsleiter Feste und Cannstatter Wasen bei "In Stuttgart". "In diesem Jahr hatten wir schon vor Beginn des Frühlingsfestes so viele Bestellungen, dass wir Trachten nachordern mussten."

Auch bei den Stuttgarter Dirndldesignerinnen Manuela Schmitt und Marie-Luise Schäfer-Bauer, die 2007 das Label "schmittundschäfer" gegründet haben, gehen mittlerweile Bestellungen aus ganz Deutschland ein. Deshalb bieten die beiden Frauen sowohl schlichte als auch elegante Dirndl aus Seide, Baumwolle oder Spitze in unterschiedlichen Längen und mit verschiedenen Ausschnitten an. Seit 2010 führen die Stuttgarterinnen auch eine eigene Herren-Trachtenkollektion. Diese besticht in diesem Jahr durch Lodenhosen und Sakkos in Grün und Anthrazit und kann mit Hemden und mit T-Shirts kombiniert werden.

Auch bei Hochzeitspaaren sind dirndl gefragt

"Wir merken deutlich, dass Frauen und Männer in der Mode wieder mehr Ursprüngliches wollen und der Trend daher zu traditioneller Kleidung und Trachten geht", erklärt Marie-Luise Schäfer-Bauer. "Das zeigt sich auch in der aktuellen Alltagsmode, in der immer häufiger Trachtenelemente verwendet werden." Auch bei Hochzeitspaaren, so Schäfer-Bauer weiter, seien heute oft festliche Herrentrachten und elegante Dirndl gefragt.

Den Wunsch vieler Frauen nach geschmackvoller Dirndlmode kennt auch die Stuttgarter Designerin Kinga Mathe. Sie stellt bis jetzt ausschließlich Damenmode her und fertigt ihre Dirndl stets aus Seide. Dabei kombiniert sie traditionelle Elemente wie Dekobordüren mit modernen Farben und Formen. So führt Kinga Mathe in ihrer aktuellen Kollektion Trachten in unterschiedlichen Grau- und Cremetönen, in Beige, Lila, Blau oder Rosé an. Zu jedem Dirndl gibt es die passende Strickjacke, die in der Sommerkollektion aus Seiden-Cashmere und in der Winterkollektion aus reinem Cashmere besteht.

Besonders wichtig ist die richtige Passform

Frauen, die zum ersten Mal in ihrem Leben ein Dirndl kaufen, rät Kinga Mathe eher zu einfarbigen Kleidern. "Manche Frauen fühlen sich verkleidet, wenn sie zum ersten Mal ein Dirndl tragen", sagt Mathe. "Deshalb sollte man am Anfang vielleicht eher etwas Schlichteres wählen." Besonders wichtig, so die Designerin, sei die richtige Passform des Dirndls. So dürfe etwa das Miederteil keine Falten schlagen. "Wenn man auf diese Dinge achtet", erklärt die Designerin, "macht ein Dirndl aus jeder Frau eine echte Dame."

Wer es lieber zünftig und bequem mag, kann statt des Dirndls aber auch auf Lederhosen zurückgreifen. Denn diese sind lange nicht mehr nur Männern vorbehalten. So werden im Stuttgarter Trachtengeschäft Brunnenhannes seit rund einem Jahr vermehrt Damen-Trachten aus Ziegenvelours, Reh- und Nappaleder verkauft - als Hotpants, Bermudahose oder auch als Minirock. Dabei haben die Trägerinnen die Wahl zwischen verschiedenen braunen, roten oder grünen Hosen.

Lodenjacketts sind häufig gefragt

"Viele Frauen haben mittlerweile schon ein Dirndl und tragen zur Abwechslung gerne mal eine Lederhose", erklärt Alexander Mauz, Dirndlberater bei Brunnenhannes. Und auch bei den Männern, ergänzt die Geschäftsführerin Ute Mauz, mache sich ein Trendwechsel bemerkbar: Wurden zur Lederhose bisher eher Strickjacken getragen, seien nun häufig Lodenjacketts gefragt. Doch auch Dirndlliebhaberinnen kommen bei Brunnenhannes nicht zu kurz. Sie haben die Wahl zwischen hundert Dirndlmodellen von unterschiedlichen Herstellern, die mit verschiedenen Blusen, Schürzen oder Hüten kombiniert werden können.

Auf eine Vielzahl von Trachtenträgern beim Frühlingsfest hofft vor allem der Wirt von Grandls Hofbräuzelt, Hans-Peter Grandl. Denn schließlich, sagt er, hätten Trachten nicht nur in Alpenregionen, sondern auch im Schwabenland eine lange Tradition. Nur habe es hierzulande einfach länger gedauert als beispielsweise in Bayern, bis der Trend wieder aufgelebt sei. "Im feschen Dirndl sehen die Frauen einfach femininer aus, das gefällt den Männern", sagt Grandl. "Und auch für die Frauen ist es doch schön, knackige Männerpos in Lederhosen zu sehen." Daher, so der Festwirt, sei er froh darüber, dass sich Trachten mittlerweile auch im Schwabenland etabliert haben.

Trachten für Frühlingsfestbesucher

Verkauf: Die „Wasentracht“ ist unter stuttgarter-fruehlingsfest.de und bei „In Stuttgart“, Mercedesstraße 50, erhältlich. Trachtenmode des Labels „schmittundschäfer“ gibt es bei Breuninger, Marktstraße 1–3, und unter schmittundschaefer.de oder trachtenhimmel.de. Dirndl von Kinga Mathe führen Breuninger und Brunnenhannes in der Geißstraße 15.

Auswahl: Einen Überblick über Sonderanfertigungen und weitere Modelle erhalten Interessenten unter der Rufnummer 99785515 oder per E-Mail an info@kinga-mathe.com sowie im Atelier von Kinga Mathe, Hauptmannsreute 16, in Stuttgart. Modelle unterschiedlicher Hersteller bietet das Trachtengeschäft Brunnenhannes in der Geißstraße an.

Preis: Dirndl der Wasentracht-Kollektion kosten zwischen 159 und 199 Euro, Lederhosen für Herren von 289 bis 349 Euro. Bei „schmittundschäfer“ liegen die Dirndl bei 199 bis 995 Euro, eine Herren-Kniebundhose kostet etwa 175 Euro. Dirndl von Kinga Mathe liegen zwischen 800 und 1000 Euro. Brunnenhannes verlangt für ein Dirndl 100 bis 1000 Euro.