Der VfB Stuttgart hat im Trainerbereich schon vieles probiert – aber zuletzt hat nichts auf Dauer beim abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesligisten funktioniert. Warum nur?

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Die Vergangenheit holt den VfB Stuttgart immer wieder gerne ein. So gibt es an diesem Samstag bei Schalke 04 ein Wiedersehen mit Huub Stevens, dem alten Knurrer. Es ist davon auszugehen, dass der kantige Niederländer im königsblauen Trainingsanzug seine mächtige rechte Pranke auf so manche Schulter eines ehemaligen Wegbegleiters in Rot klopfen wird. Weißt du noch?

 

Stevens pflegt einen rustikalen Charme, und der 65-jährige Schalke-Coach denkt gerne an seine Rettungsmissionen beim VfB zurück. Zweimal hat er diesen eigenwilligen Club vor dem Sturz aus der Bundesliga bewahrt. Vier Jahre ist das legendäre Saisonfinale von Paderborn nun schon wieder her, als Stevens vor der Fankurve die Arme triumphierend in die Luft reckte. Wenig später hinterließ der Mann aus Kerkrade den VfB-Oberen bei seinem Abschied den Ratschlag, sich im sportlichen Bereich neu aufzustellen.

Wie ein Blick auf die Trainergalerie der jüngeren Geschichte zeigt, haben die Stuttgarter vor und nach Stevens viel probiert. Nur: Nichts hat nachhaltig funktioniert. Zwölf Trainer haben sich seit Bruno Labbadia versucht. Und gerade im Rückblick stellt der Abgang des in Stuttgart oft geschmähten Italo-Hessen beim VfB eine Zäsur dar, denn er hat tiefere Spuren hinterlassen, als viele Fans lange wahrhaben wollten. Labbadia ist bislang der letzte Trainer, der den schwäbischen Fußballstolz in den Europapokal führte. 2013 war das, und wenn man so will, ist Labbadia damit der letzte Erfolgstrainer des VfB.

Warum wird nicht Willig neuer Chefcoach?

Der Nächste, der nun auserkoren ist, die fast drei Jahre lang währende Ära Labbadias zu erreichen, ist Tim Walter. Doch noch ehe der 43-jährige Fußballlehrer seinen ersten Arbeitstag an der Mercedesstraße antritt, ereilt den VfB eine Debatte, die er womöglich noch eine Weile auszuhalten hat. Ist der Coach von Holstein Kiel wirklich der Richtige? Ein Mann, der gerade mal eine gute Saison bei einem forschen Zweitligisten vorzuweisen hat? Und überhaupt: Gibt es da nicht diesen jungen Nico Willig, dem man zwar zutraut, die Mannschaft vor dem zweiten Abstieg innerhalb von drei Jahren zu bewahren, aber eben nicht, sie neu zu formen?

Es ist der Spuk der alten Geister, der den VfB umweht und Skepsis verbreitet. Schon oft wurde ein Neustart versprochen. Der Weg sollte wieder zu altem Glanz führen. Langfristig. Doch die Strecke ist mit Enttäuschungen gepflastert. Auch diesmal, weil der VfB als Abstiegskandidat mit den vielleicht besten Rahmenbedingungen aller Zeiten angesehen werden kann. Dabei hat er in den vergangenen Jahren nicht nur ein paar Spiele zu viel verloren, sondern zu oft auch seine sportliche Linie. Auffällig dabei: Dieser VfB hält keine Niederlagenserien aus. Sie stellen den Club mit seinen Ansprüchen vor Zerreißproben. Häufig scheint man sich in Krisenphasen den Trainertypen zu wünschen, der gerade nicht da ist.

Erfahrene wie Armin Veh und Jos Luhukay wurden engagiert, man hievte die Eigengewächse Thomas Schneider und Jürgen Kramny nach oben oder verpflichtete die dem Alter nach dazwischen liegenden Tayfun Korkut und Markus Weinzierl. Thomas Hitzlsperger kennt die Liste gut, und der Sportchef hat sich der Auseinandersetzung gestellt, ob es diesen eierlegenden Wollmilch-Supercoach für den VfB überhaupt noch geben kann.

Hitzlspergers eigene Note

Natürlich nicht, weshalb Hitzlsperger mit einer eigenen Note dagegenhält und ins Zentrum der Diskussionen rückt, da sich mit dem 37-jährigen Managernovizen die Hoffnung auf eine dauerhafte Verbesserung verbindet. Der seit Februar amtierende Sportvorstand hat all die Fragen in der ihm eigenen Art beantwortet. Unaufgeregt und handlungsorientiert. Er hat nach der Trennung von Weinzierl gemeinsam mit dem von der eigenen U 19 zum Interimstrainer beförderten Willig das Projekt Klassenverbleib ausgerufen. Zeitlich begrenzt bis zur Relegation, um für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen.

Die Spieler wissen seither, dass es nur auf die finalen Saisonwochen ankommt. Für sie gibt es mit Willig kein Vorher und kein Nachher. So können sie noch die Relegation gewinnen und nicht alles verlieren – das ist der psychologische Kniff. Und Willig muss sich nicht mit seiner Zukunft beschäftigen, obwohl er nach zwei Siegen für einen Teil der Fans die Sehnsucht verkörpert, mit einem Trainertalent aus dem eigenen Stall endlich Kontinuität auf diesem Posten zu schaffen. „Das einzige Thema, das ich aktuell habe, ist Schalke 04. Und nach der Relegation ist Urlaub mein Thema“, sagt der Übergangscoach, der in den Nachwuchsbereich zurückkehrt.

Diese Abmachung hat Hitzlsperger den Freiraum geschaffen, im Hintergrund an einer möglichst innovativen Trainerlösung zu arbeiten. In dem guten Gefühl, eine Alternative in den eigenen Reihen zu wissen. Vor allem aber in der Überzeugung, dass es einer offensiven Spielidee bedarf, um den VfB wieder vorwärtszubringen. Zudem mit dem Ehrgeiz, einen ebenso selbstbewussten wie teamfähigen Fußballlehrer zu finden. Jemanden, der die Mannschaft auf ein gemeinsames Ziel auszurichten vermag und dabei nicht vergisst, junge Spieler zu entwickeln.

Erinnerungen an Zorniger

Wirklich neu ist dieser Ansatz nicht. Mit Alexander Zorniger hat man ihn genauso verfolgt wie mit Hannes Wolf. Der eine war jedoch nicht bereit, seinen Abenteuerfußball dem Diktat des Resultats zu unterwerfen und ließ den VfB ins Verderben stürmen. Der andere schaffte es zwar, dass in Stuttgart wieder über Spielsysteme diskutiert wurde, doch nach dem Aufstieg verzettelte er sich mit ständig wechselnden Aufstellungen. Beide mussten sich dem Druck beugen, der traditionell entsteht, wenn sich Misserfolge häufen.

So hat der VfB zwar in vielen Krisen schon etliche Trainer gefunden, die ihm aus der Not helfen konnten. Strategische Entscheidungen für eine bessere Zukunft waren jedoch selten darunter.

Die vielen Trainer des VfB Stuttgart, seit Bruno Labbadia im Dezember 2010 kam, sehen Sie in unserer Bildergalerie.