Der Sarg des als „Architekt der modernen Notfallrettung“ bekannten Siegfried Steiger wird von einem Konvoi verschiedenster Hilfsorganisationen begleitet. Ein Helikopter schwebt wegen des Wetters nicht über dem Grab.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Bei widrigem Schneeregen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt hat die Björn-Steiger-Stiftung am Samstag ihren Gründer zu Grabe getragen. Der als unermüdlicher Kämpfer für eine verbesserte Notfallrettung geltende Architekt war Mitte März im Alter von 92 Jahren verstorben – nur 17 Tage nach seiner Ehefrau Ute. Gemeinsam hatte sich das Ehepaar mehr als fünf Jahrzehnte lang für die Unfallhilfe eingesetzt.

 

Zahlreiche Neuerungen wie etwa die Notruftelefone an deutschen Straßen, der Aufbau der Luftrettung oder auch die inzwischen europaweit geläufige Notrufnummer 112 gehen maßgeblich auf ihr Engagement zurück. Neuestes Projekt ist eine Smartphone-App als Wegweiser durch den Dschungel der Corona-Regelungen. „Als Team haben Ute und Siegfried Steiger den Rettungsdienst in Deutschland mit ihren teilweise bahnbrechenden Ideen revolutioniert. Das Land Baden-Württemberg ist dieser Familie zu tiefem Dank verpflichtet“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Trauerfeier am Samstag in der mit Orchideen in Rot und Weiß geschmückten Winnender Schlosskirche.

Auslöser für das Engagement war der Unfalltod des achtjährigen Sohns

Auslöser des Engagements war der Tod des Sohnes Björn, nach dem die Stiftung des Ehepaars benannt ist. Der damals acht Jahre alte Junge war im Mai 1969 bei einem Verkehrsunfall von einem Auto erfasst worden. Seinerzeit hatte es fast eine Stunde gedauert, bis ein Krankenwagen am Unfallort eintraf.

„Trotz des schlimmsten Verlusts, den Eltern sich vorstellen können, sind Ute und Siegfried Steiger nicht vor Verzweiflung in sich zusammengebrochen. Sie haben sich mit Ausdauer und unermüdlicher Tatkraft zum Ziel gesetzt, dieses Leid anderen Menschen zu ersparen“, so Strobl in seinen Nachruf.

Auch der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) verneigte sich bei der Trauerfeier in der Schlosskirche vor dem Lebenswerk der Stiftungsgründer. Charmant und liebenswürdig, aber stets auch äußerst hartnäckig hätten Ute und Siegfried Steiger das Gespräch auf ihre Projekte gelenkt.

Die Politik verneigt sich vor dem „hartnäckigen, aber liebenswürdigen“ Paar

Der Politiker bezeichnete das verstorbene Ehepaar als „Lebensretter“ und betonte die Weitsicht der aus Winnenden kommenden Vorschläge für das Rettungswesen. „Vieles von dem, was Ute und Siegfried gefordert und erfolgreich umgesetzt haben, ist heute noch aktuell und keineswegs überholt“, sagte Oettinger. Den Dank fürs Bohren dicker Bretter für die Unfallhilfe verband er bei der Trauerfeier mit einem Blick auf die aktuelle Lage. „Angesichts des Völkermords in der Ukraine gewinnt der Einsatz für das Rettungswesen in diesen Tagen eine ganz besondere Bedeutung.“

Als Vertreter der Blaulicht-Fraktion hatte der frühere Leiter der Berliner Feuerwehr, Albrecht Broemme, in einem Nachruf an die ungeheure Entwicklung im Rettungsdienst erinnert. „1969 war es leider Standard, dass der Fahrer eines Krankenwagens ab und zu in den Rückspiegel geschaut hat, ob der Patient noch lebt“, sagte Broemme, bis 2019 Präsident des Technischen Hilfswerks (THW). Winnendens Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth sprach nicht nur von einer „herausragenden Lebensleistung“ der 2018 mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt ausgezeichneten Stiftungsgründer, sondern drückte der Familie auch sein tiefes Mitgefühl aus.

Auf den im Vorfeld geplanten „Fliegergruß“ wird kurzfristig verzichtet

Zum Auftakt der Nachrufe hatten die Kinder Nicole und Pierre-Enric über die „Sturheit und den festen Glauben, dass sich Dinge verbessern lassen“ ihres Vaters gesprochen. Betont wurden aber auch die Fröhlichkeit und Herzlichkeit, die in der Familie lebte. „Der innigste Wunsch meines Vaters war, für meine Mutter da zu sein“, sagte Pierre-Enric Steiger. Zum Ausdruck kam auch der Mut, für Verbesserungen bei der Notfallhilfe persönlich ins Risiko zu gehen. Für die Finanzierung von Rettungshubschraubern hatte die Familie des erfolgreichen Architekten in der Vergangenheit sogar ihr Wohnhaus mehrfach verpfändet.

Am letzten Geleit nach der Trauerfeier in der Schlosskirche waren zahlreiche Hilfsorganisationen beteiligt. Der Sarg von Siegfried Steiger und die Trauergemeinde wurde von einem Konvoi aus mehr als einem halben Dutzend Einsatzfahrzeugen auf dem 900 Meter langen Weg zum Friedhof mit Blaulicht und teils auch Martinshorn begleitet. Auf einen im Vorfeld der Beerdigung ebenfalls angedachten „Fliegergruß“ mit mehreren Rettungshubschraubern wurde mit Blick auf den Schneeregen allerdings verzichtet.

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