Immerhin, sie reden miteinander – eineinhalb Stunden lang haben der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba in der Türkei verhandelt. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd. Vor allem gibt es kein Signal für ein baldiges Kriegsende.

Ein historischer Moment sollte es werden. In einem holzgetäfelten Hotel-Konferenzraum im südtürkischen Ferienort Belek bei Antalya saßen sich am Donnerstagmorgen erstmals seit Beginn des Krieges in der Ukraine die Außenminister der Konfliktparteien gegenüber. Der russische Ressortchef Sergej Lawrow nahm an der einen Seite des hufeisenförmigen Tisches Platz, der ukrainische Minister Dmytro Kuleba auf der anderen Seite. Zwischen ihnen saß der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu als Gastgeber an der Stirnseite vor einer Stellwand mit dem Motto „Treffen für Diplomatie“. Doch von Diplomatie war keine Rede. Lawrow war zwar mit konkreten Zielen nach Antalya gekommen – doch Schritte zur Beendigung des Krieges waren nicht darunter.

 

Kuleba: Lawrow hat alles abgeblockt

Bleich und deprimiert wirkte Kuleba, als er nach den etwa anderthalbstündigen Gesprächen vor die Presse trat. Der russische Minister habe alle Vorschläge abgeblockt, über einen 24-stündigen Waffenstillstand und humanitäre Hilfsmaßnahmen für die Zivilisten in der Ukraine zu reden, sagte der 40-Jährige. Für solche Entscheidungen seien andere Stellen in Russland zuständig, habe Lawrow gesagt. „Ich dachte, Außenminister hätten ein Mandat für Verhandlungen“, fügte Kuleba hinzu. Doch in Russland herrschten offensichtlich andere Vorstellungen über die Aufgaben eines Außenministers.

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Der Gastgeber Cavusoglu hatte vor dem Treffen gesagt, er hoffe auf einen „Wendepunkt“ für den Krieg. Doch in Antalya gab es keinen Handschlag der russischen und ukrainischen Politiker, keine gemeinsame Pressekonferenz und keine Beschlüsse. Nicht einmal Zusagen für eine Fortsetzung der Verhandlungen konnte Cavusoglu herausschlagen. Der türkische Außenminister tröstete sich mit der Beobachtung, das Treffen sei „zivilisiert“ gewesen. Niemand sei laut geworden.

Kuleba gewann in der Sitzung nach eigenen Worten den Eindruck, dass Russland seine Kriegsziele weiterverfolgen will, koste es, was es wolle. Er habe Lawrow vorgeschlagen, sofort humanitäre Korridore für Zivilisten einzurichten, doch der russische Minister sei darauf nicht eingegangen. Es sei auch nicht gelungen, humanitäre Korridore für die Stadt Mariupol zu vereinbaren, so Kuleba.

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Lawrows eigener Auftritt vor der Presse bestätigte Kulebas Schilderung. Verhandelt werde nicht in Antalya, sondern in den Gesprächsrunden zwischen Ukrainern und Russen in Belarus, sagte er mehrmals. Dazu gebe es keine Alternative. Deshalb sei in Antalya auch nicht über eine Waffenruhe geredet worden. Russland wolle „keine Parallel-Verhandlungen“ zu den Gesprächen in Belarus. Zwar verschließe sich Moskau niemals dem Gedankenaustausch, sagte Lawrow. Auch ein Treffen von Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei möglich. Aber die ukrainische Seite wolle lediglich „Gespräche um der Gespräche willen“ und Schlagzeilen in der westlichen Presse produzieren.

Dass seine Haltung die Frage aufwerfen würde, warum er nach Antalya gekommen sei, wenn er nicht verhandeln wollte, nahm Lawrow in Kauf. Denn ihm ging es um etwas anderes. Bei seiner Pressekonferenz ließ der russische Minister, ein ausgebuffter Profi mit langer Erfahrung im Krisenmanagement, auffällig viele Fragen westlicher Reporter und auch ukrainischer Journalisten zu: Lawrow wollte in Antalya nicht über den Frieden reden, sondern den russischen Standpunkt unter die Leute bringen.

Lawrow: Es gibt keine Invasion

Und so sprach der 71-Jährige ausführlich über die Bedrohung für Russland, die von der Ukraine ausgehe, von geheimen Labors für die Herstellung ukrainischer Bio-Waffen, von Neonazis in Kiew und von Ränkespielen des Westens, der die Ukraine gegen Russland ausgerichtet habe. Die westlichen Sanktionen? Russland habe schon ganz andere Zeiten überlebt. Lawrow berichtete von „radikalen Gruppen“, die sich mit ihren Waffen in der Entbindungsklinik der ukrainischen Stadt Mariupol verschanzt hätten – russische Truppen hatten die Klinik am Mittwoch bombardiert. Keine Frauen und Kinder seien in dem Gebäude gewesen, behauptete er.

Dass der Minister mit seinem Auftritt in Antalya viele Skeptiker von der Rechtmäßigkeit des Moskauer Standpunktes überzeugen konnte, ist unwahrscheinlich. Dazu waren einige seiner Positionen zu bizarr. So behauptete er nach zwei Wochen Krieg, es gebe keine russische Invasion in der Ukraine. Alles, was Russland wolle, sei eine demilitarisierte und neutrale Ukraine ohne „Neonazis“. Sein Land habe der Ukraine konkrete Vorschläge dafür vorgelegt, bisher aber keine Antwort erhalten. „Wir warten.“

Kuleba machte klar, was die Regierung in Kiew davon hält. Moskau verlange die Kapitulation, sagte der ukrainische Minister: „Die Ukraine hat nicht kapituliert, kapituliert nicht und wird nicht kapitulieren.“