Es ist der Tag des ökologisch wertvollen Autos in der deutschen Politik: Merkel lädt zum Gipfel, CDU wie CSU beschließen Leitlinien, und Grüne legen 10-Punkte-Plan vor

Berlin - Nie zuvor ist in der deutschen Politik an einem einzigen Tag an so vielen Stellen gleichzeitig über den klimafreundlichen Verkehr von morgen beraten und entschieden worden. Am Montag beschloss der CDU-Vorstand in Berlin ein Strategiepapier zur „Zukunft der Mobilität“, die Schwesterpartei CSU beriet in München über ihre energiepolitischen Leitlinien, ehe Angela Merkel und ihre thematisch betroffenen Minister am Abend im Bundeskanzleramt mit Vertretern der Autoindustrie über deren bevorstehenden Wandel redete. Passend zu dem Spitzengespräch mit den Fahrzeugherstellern veröffentlichten die grünen Verkehrspolitiker Cem Özdemir und Stephan Kühn einen entsprechenden Forderungskatalog.

 

Für das Erreichen der Klimaziele 2030, die eine große Bandbreite von Maßnahmen erfordern, ist der Verkehrsbereich zentral, da der Ausstoß des Treibhausgases CO2 in diesem Sektor noch gar nicht reduziert werden konnte. Das Gespräch mit der Autobranche, aber auch die Konzepte der Union sollen unter anderem in die Entscheidungen des Klimakabinetts einfließen. Dieses soll, unter Merkels Leitung im September, Grundsatzbeschlüsse dazu treffen, welche Schritte in welchen Bereichen notwendig sind.

Erfolgversprechendes Vehikel zum Erreichen der Klimaziele

Der Fokus des „Autogipfels“ richtet sich dabei ganz auf die elektrische Zukunft der Branche. Die weitere Forschung an anderen alternativen Antriebsarten oder synthetischen Kraftstoffen soll „nicht ins Regal zurückgestellt“ werden, hieß es beim Verband der Automobilindustrie (VDA) im Vorfeld. Doch das Elektroauto ist aus Sicht der Hersteller mittelfristig das erfolgversprechendste Vehikel, um das EU-weit beschlossene Ziel von noch einmal 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid zu schaffen. „2030 werden wir sieben bis 10,5 Millionen Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen sehen“, kündigte VDA-Chef Bernhard Mattes am Montag in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ an.

Stand jetzt sind es unter Einbeziehung der Hybrid-Fahrzeuge nur rund 400 000 – weshalb das Ursprungsziel, dass 2020 eine Million E-Autos in Deutschland unterwegs sein sollen, klar verfehlt wird. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte daher gegenüber unserer Zeitung gefordert, Politik und Industrie müssten nun „gemeinsam alles daran setzen, bei der Elektromobilität den Durchbruch zu erreichen“. Um auch die Wertschöpfung zu erhalten, setzt er auf den subventionierten Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung in Deutschland.

Problem: fehlende Infrastruktur

Als vorrangiges Thema sieht Mattes dagegen die fehlende Infrastruktur. „Ohne genug Ladesäulen greifen alle anderen Maßnahmen ins Leere“, heißt beim VDA.

Eine Million Ladepunkte – eine Säule enthält im Normalfall zwei – sind Mattes zufolge bis 2030 notwendig. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat, um seinen Ruf nach einer Extra-Haushaltsmilliarde Nachdruck zu verleihen, einen Bedarf von 300 000 errechnen lassen. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind für 2020 insgesamt 100 000 Punkte angepeilt, tatsächlich gebaut waren Ende 2018 aber nur etwas mehr als 16 000 – beantragt und bewilligt ist die Förderung für weitere rund 27 000. Hier das Tempo zu erhöhen, deckt sich auch mit der Zusage, des am Montag beschlossenen CDU-Konzepts: „Wir werden dafür sorgen, dass die Ladeinfrastruktur zügig weiter ausgebaut wird.“ Die Grünen fordern indes eine Verdoppelung der Mittel.

Für die Kaufprämie bei E-Fahrzeugen muss das nach Ansicht von Kühn und Özdemir ebenfalls gelten. „Über ein aufkommensneutrales Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer wollen wir sicherstellen, dass klimaschädliche Spritschlucker die Prämie gegenfinanzieren, und nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, heißt es in ihrem 10-Punkte-Plan.

Bis September sollen Vorschläge vorliegen

Darin wird unter anderem auch eine ökologische Reform der Dienstwagen- sowie der Kraftstoffbesteuerung gefordert, die „klimapolitisch verantwortungslos“ ausgestaltet sei. Zu den finanziellen Fragen gibt es in der Unionsfraktion eine Arbeitsgruppe, die bis September Vorschläge unterbreiten soll. Auch CSU-Chef Markus Söder forderte am Montag ein „Energiegesetzbuch“, in dem die verschiedenen Instrumente neu geordnet werden – Bayerns Ministerpräsident sprach sich zudem für eigene Fahrspuren für Elektroautos aus.

Das Format des Autogipfels wurde von Özdemir kritisiert. „Von einer konzertierten Aktion kann keine Rede sein: Statt einen breiten Dialog darüber anzustoßen, wie wir die Verkehrswende umsetzen, lädt die Bundesregierung allein die Autolobby zum Kaffeekränzchen“, sagte er unserer Zeitung: „Nicht einmal die in dieser Frage so wichtigen Bundesländer werden einbezogen, geschweige denn Vertreter von Radverkehr und ÖPNV oder Umwelt- und Verbraucherschutzverbände.“

Konkrete Beschlüsse sollte es nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagabend nicht geben. Bei dem Gipfel handele es sich vielmehr um den „Einstieg in einen Gesprächsprozess“.