Sie geben sich am Telefon als Polizeibeamte aus, damit die eingeschüchterten Opfer ihnen ihre Ersparnisse anvertrauen: Die Masche mit den falschen Polizisten ist zu einem Millionengeschäft geworden.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Es wäre sicher der Coup seines Lebens geworden: Der 24-Jährige, ein mutmaßliches Mitglied einer Trickbetrügerbande, hatte sein 96-jähriges Opfer schon dazu gebracht, fast sechs Kilogramm Gold und Schmuck im Wert von 220 000 Euro vor die Haustür zu stellen. Doch als er die Beute holen wollte, klickten die Handschellen. Die Polizei hatte das falsche Spiel bereits im Blick, ohne dass das Opfer und der Täter dies mitbekommen hatten.

 

Die 96-Jährige aus dem Raum Waiblingen war auf eine Masche hereingefallen, die in der Region und im ganzen Land immer größere Ausmaße annimmt. Anrufer geben sich telefonisch als Polizeibeamte aus, „warnen“ ihre Opfer vor einem angeblich bevorstehenden Wohnungseinbruch und bieten an, die Ersparnisse vorübergehend in polizeiliche Obhut zu nehmen.

Der Schaden steigt auf mehrere Millionen

Dieser Trick ist inzwischen zu einem Massendelikt geworden. „Es hat 2017 einen drastischen Anstieg der Fallzahlen gegeben“, sagt Ulrich Heffner, Sprecher des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA). Waren es 2016 noch 225 Fälle – so sind es nun eine Zahl im vierstelligen Bereich. Wegen der noch nicht abgeschlossenen Auswertung der Jahresstatistik möchte Heffner keine genauere Zahl nennen.

Zwar sind der 96-Jährigen und der Polizeistatistik 220 000 Euro Schaden erspart geblieben. Die dunklen Geschäfte der Trickbetrüger werden dennoch immer einträglicher. Aus den 1,4 Millionen Euro im Jahr 2016 sind landesweit mehrere Millionen geworden. Und das, obwohl es wenigstens eine gute Nachricht gibt: „Inzwischen bleibt es bei 90 Prozent der Fälle beim Versuch“, sagt LKA-Sprecher Heffner. Viele der Angerufenen bemerkten den Trick noch rechtzeitig. Doch wem kann man überhaupt noch trauen? „Der gute Ruf und das Vertrauen in die Polizei werden von den Tätern schamlos missbraucht“, klagt Heffner.

Ein Zufall führt die Polizei auf die richtige Spur

Derweil kommen immer mehr Mitglieder des Netzwerks, das nach Erkenntnissen der Polizei von Hintermännern über Callcenter in der Türkei gesponnen wird, vor Gericht. Der 24-jährige mutmaßliche Täter etwa soll Ende Februar im Amtsgericht in Waiblingen auf der Anklagebank sitzen. Die Polizei eines anderen Bundeslands hatte gegen den Mann aus Erlensee in Hessen in ganz anderer Sache ermittelt – als die Beamten zufällig die Sache mit der 96-Jährigen mitbekamen. Bereits nächste Woche beginnt beim Amtsgericht Stuttgart der Prozess gegen einen 21-Jährigen, der im August 2017 unter anderem eine 64-Jährige im Kernerviertel und eine 83-Jährige im Stuttgarter Norden als Logistiker ins Visier genommen haben soll. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat der junge Mann aus Neuwied in Hessen dabei auch mit einem 23-Jährigen aus Bonn zusammengearbeitet. Der gilt wiederum als einer der ersten Beschuldigten, der in Stuttgart für die Masche mit den falschen Polizisten verurteilt worden ist. Der Kurier wurde vom Amtsgericht zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig – das Landgericht befasst sich Mitte März mit der Berufungsverhandlung.

Justiz urteilt mit unterschiedlicher Härte

Die Justiz verhängt im Bundesgebiet freilich recht unterschiedliche Strafen. Das Landgericht Tübingen etwa verurteilte im Januar den Drahtzieher einer fünfköpfigen Gruppe zu fünf Jahren Haft. Der etatmäßige Abholer der Beute wurde für vier Jahre hinter Gitter geschickt, der Fahrer für zweieinhalb Jahre. In Hannover erhielten vier Angeklagte im September 2017 Haftstrafen zur Bewährung zwischen neun und zwölf Monaten.