Trickfilme laufen auf allen Kinderkanälen und haben im Kino großen Erfolg. Doch die Branche fühlt sich von den TV-Sendern im Stich gelassen.

Stuttgart - Kinder lieben Zeichentrick; deshalb reiht sich im Programm sämtlicher Kindersender eine Animationsserie an die andere. Auch im Kino erfreut sich das Genre seit vielen Jahren stets wachsender Beliebtheit. Davon profitieren auch deutsche Produktionen. Jüngst haben sowohl die Filme „Biene Maja“ (produziert von Studio 100) als auch „Der kleine Drache Kokosnuss“ (Caligari Film) jeweils über 900 000 Zuschauer im deutschsprachigen Raum angelockt.

 

Trotzdem ist die Branche in einer Krise. Vom Kino allein kann sie nicht leben, weil Animation aus Deutschland nur im deutschsprachigen Raum erfolgreich ist. Vom Fernsehen wiederum hat sie keine Zuwächse zu erwarten, denn deutsche Kinder- und Jugendproduktionen fristen bei den Kindersendern ein Schattendasein: Das Gros der Animationsserien ist importiert. Und mehr: die deutschen Sender beteiligen sich als Koproduzenten an ausländischen Produktionen. Das ist oft finanziell attraktiver, als selbst eine Serie in Auftrag zu geben, da auf diese Weise mit geringeren Mitteln umfangreichere Rechte erworben werden können.

Die Mitbewerber der einheimischen Produzenten kommen allerdings nicht nur aus dem europäischen Raum, wie Gabriele M. Walter, die Geschäftsführerin von Caligari Film in München, erläutert: „Indische Studios schließen mittlerweile direkte Kooperationen mit den deutschen Sendern ab. Finanziell können hiesige Produzenten da nicht mithalten, weil in Indien die Lohnkosten niedriger sind. In einigen Jahren kommt dann auch noch der chinesische Markt dazu.“ Die Produzentin fordert angesichts dieses globalen Wettbewerbs auch im Hinblick auf die mediale Erziehung des Nachwuchses zu einer „klaren Haltung“ auf: Wenn nicht dafür gesorgt werde, „dass ein bestimmter Anteil des Kinderprogramms von deutschen oder zumindest von deutsch produzierten Geschichten geprägt ist, dann werden wir uns irgendwann sehr schwer tun, das kleine Pflänzchen unserer Animationsindustrie am Leben zu erhalten.“

Strukturelle Schwierigkeiten

Auch Heiko Burkardsmaier, der Geschäftsführer von Mackevision in Stuttgart, hält die aktuelle Situation für „extrem schwer“. Die Bezeichnung „aussichtslos“ sei vielleicht übertrieben, aber nur knapp: „Es gibt vor allem strukturelle Schwierigkeiten, die im Moment unüberwindbar scheinen.“ Größtes Manko ist nach Ansicht vieler Produzenten die Tatsache, dass deutsche Unternehmen nicht ohne einen einheimischen Koproduzenten mit einem ausländischen Sender kooperieren können. Umgekehrt gehe das sehr wohl, und das, meint nicht nur Burkardsmaier, müsste sich ändern: „Wenn ein ausländischer Produzent für einen deutschen Sender produziert, sollte auch ein deutsches Unternehmen beteiligt sein. Die Alternative wäre die Einführung einer Quotenregelung.“ Den Sendern macht er dabei gar keinen Vorwurf: „Die suchen natürlich nach der günstigsten Lösung.“

Deshalb gibt es von den kommerziellen Kanälen auch gar keine Aufträge. Für Super RTL oder die hiesigen Ableger von Nickelodeon und Disney ist eigenproduzierte Animation aus Deutschland schlicht zu teuer. Umso mehr wäre die Branche darauf angewiesen, dass sich ARD, ZDF und Kika zur einheimischen Animationsproduktion bekennen. Das Problem dabei, sagt Siegmund Grewenig, der Leiter des Programmbereichs Unterhaltung, Familie und Kinder sowie Geschäftsführer der ARD-Familienkoordination, sei nach wie vor, „dass es grundsätzlich schwierig ist, aus Deutschland heraus internationale Großproduktionen zu finanzieren. Die TV-Beteiligungen aus Deutschland können immer nur einen Teil der Gesamtkosten aufbringen.“

Die schwierige Finanzierungssituation führe auch gern zu Verzögerungen bei der Herstellung und Ablieferung; bei einem bestimmten Projekt warte man gerade schon zwei Jahre, was die Sendeplanung entsprechend schwierig gestalte. Im internationalen Vergleich gebe es zudem eine völlig andere Produzentenlandschaft. Deutsche Anbieter stünden, Manufakturen gleich, für qualitativ hochwertige Einzelstücke. Serielle Produktionen mit hohen Folgenzahlen müssten daher aus Amerika oder Asien importiert werden.

Das ZDF ist aktiver

Das ZDF ist nach Produzentenangaben in Sachen Animation deutlich rühriger als die ARD. Tatsächlich bestätigt Irene Wellershoff, in der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend verantwortlich für den Bereich Fiktion, Animationsfilme und -serien aus Deutschland seien ihr ein großes Anliegen: „weil wir auch ‚unsere’ Geschichten erzählen und den Kindern deutsche Kinderkultur vermitteln wollen.“ Bei den Kinoerfolgen „Die Biene Maja“ und „Der kleine Drache Kokosnuss“ war das ZDF Koproduzent. Das Engagement hat aber auch ganz pragmatische Gründe, denn deutsche Animation ist im ZDF sehr erfolgreich. Nicht zu vergessen die vielen Auszeichnungen: allein der Kurzfilm „Der Kleine und das Biest“ vom Ludwigsburger Studio Soi hat über dreißig nationale und internationale Preise gewonnen!

Wellershoff schätzt die Zusammenarbeit mit den deutschen Produzenten auch aus anderen Gründen: „weil man sich oft intensiver, schneller und präziser über Stil und Inhalte abstimmen kann.“ Die Redaktionsleiterin sieht ihren Sender zudem in der Verantwortung, auch Animationstalente zu fördern. Daran herrscht wahrlich kein Mangel. Gerade dank des Animationsinstituts an der Filmhochschule in Ludwigsburg hält Burkardsmaier die deutsche Ausbildung für „Weltspitze“. Aber weil der deutsche Markt diesen Talenten oft keine Perspektive bieten könne, wanderten viele nach England oder Kanada ab.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Animationsproduzenten zu stützen, veranstaltet das Internationale Trickfilmfestival in Stuttgart am 7. und 8. Mai den „Animation Production Day“, der sich laut Festival-Geschäftsführer Dittmar Lumpp zunehmend zum zentralen Branchentreff für den deutschsprachigen Raum entwickelt: „Hier bringen wir gezielt europäische und deutsche Produzenten zusammen, um die internationale Koproduktion zu stärken. In der Vergangenheit sind einige Strukturen verloren gegangen, die wir jetzt mühsam wieder aufbauen müssen.“