Nach der neuen Trinkwasserverordnung müssen Besitzer von Mehrfamilienhäusern ihre Anlagen bis zum 31. Dezember auf Legionellen untersuchen lassen. Manche Labore finden bei jeder dritten Analyse des Trinkwassers die gefürchteten Bakterien.

Stuttgart - Die Gefahr bleibt oft unerkannt. Nur selten bekommt sie ein Gesicht wie vor drei Jahren in Ulm. Fünf Menschen starben dort an den Folgen einer Legionelleninfektion. Insgesamt zählten die örtlichen Landratsämter 64 Infektionen.

 

Legionellen sind stäbchenförmige Bakterien, die sich im 25 bis 55 Grad warmen Wasser vermehren. Sie gedeihen oft im Trinkwasser oder verbreiten sich über Klimaanlagen, wenn diese nicht richtig betrieben werden. Wenn Legionellen eingeatmet werden, etwa über den Duschnebel, können sie eine schwere Lungenentzündung, die Legionellose, oder eine grippeartige Erkrankung, das Pontiac-Fieber, hervorrufen. Insbesondere ältere Menschen und kranke Personen wie Diabetiker, Krebs- und Transplantationspatienten sind gefährdet. Jedes Jahr erkranken in Deutschland schätzungsweise 20.000 Menschen. 10 bis 15 Prozent sterben – in absoluten Zahlen „so viele wie im Straßenverkehr“, sagt Ingrid Chorus, die Abteilungsleiterin für Trink- und Badebeckenwasserhygiene beim Umweltbundesamt in Dessau. „Und das aufgrund einer Krankheit, die absolut vermeidbar wäre.“

Um die latente Gesundheitsgefahr in den Griff zu bekommen, müssen nun Vermieter größerer Liegenschaften nach einer neuen Verordnung ihr Trinkwasser analysieren lassen. Das bundesweit größte Labor, die Agrolab Group mit Hauptsitz im bayerischen Bruckberg, hat bereits rund 60 000 Wasserproben untersucht. „Erschreckend häufig“, so Chorus, finden die Labormitarbeiter Keime im Leitungsnetz. Die Bakterien zirkulierten in mehr als jeder dritten Anlage. Jede siebte überschreitet laut Agrolab die gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze. Bei anderen Prüfinstituten liegt der Anteil der Überschreitungen niedriger – zwischen 9 und 16 Prozent.

Die Keime vermehren sich in selten benutzten Wasserrohren

Diese ersten Ergebnisse sind ein Warnsignal, denn schlechte Werte lassen sich nur damit erklären, dass das Leitungsnetz nicht einwandfrei betrieben wird. Obwohl keine unmittelbare Gefahr droht, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Auch die Mieter erfahren auf Anfrage von dem Problem in ihrem Trinkwasser. Die Behörde kann eine Gefährdungsanalyse anordnen. Dann nimmt ein Labormitarbeiter weitere Wasserproben, um den Bakterienherd einzugrenzen.

Es sind vor allem Häuser mit einem älteren Leitungsnetz, die zu viele Legionellen aufweisen, berichtet Produktmanager Carlo Peich von Agrolab. Tückisch sind tote Leitungen, in denen das Wasser steht, und Leitungen, die nur selten genutzt werden. „Typisch ist das Waschbecken im Keller, das irgendwann abgehängt wurde und dessen Wasseranschluss mit einem Stopfen verschlossen ist. Das Wasser in den Rohren fließt nicht ab und ist eine ideale Brutstätte für Legionellen“, erklärt Peich. Das Mauerwerk älterer Gebäude ist oftmals von überzähligen Rohren durchzogen, die vorsorglich für einen Anbau angelegt wurden. In diesen Leitungen vermehren sich Keime. Ein zusätzliches Problem: Kalt- und Warmwasserleitungen liegen in Altbauten oft dicht beisammen und sind nicht gegeneinander isoliert. Dadurch erwärmt das heiße Wasser die benachbarte kalte Leitung. In der lauwarmen Umgebung fühlen sich Bakterien wohl.

Wenn Legionellen in großer Zahl im Wasser schwimmen, muss man die Quelle finden. Für diese Gefährdungsanalyse nehmen Mitarbeiter der Firma Agrolab weitere Proben an verschiedenen Stellen des Leitungsnetzes. Erst wenn der Herd gefunden ist, kann er beseitigt werden. Manchmal gelingt dies nur mit einer Desinfektion. Mit Chlor sterben die Bakterien ab, ebenso beim Erhitzen des gesamten Wassers auf 70 Grad. Peich warnt allerdings vor einer unsachgemäßen Bekämpfung: Oft wird die eigentliche Ursache – etwa eine tote Wasserleitung – nicht behoben und das Wasser vorschnell desinfiziert. Dann kehrt das Problem bald wieder. Generell warnt er vor Scharlatanen: „Während die Labore, die die Legionellenmessung durchführen, akkreditiert sind, ist das bei den Anbietern der Desinfektion nicht der Fall.“ Manch einer verkaufe eine Legionellenschaltung als Allheilmittel. Aber sie erhitzt das Trinkwasser nur auf knapp über 55 Grad. Das beugt einem Befall vor, kann aber bestehende Verkeimungen nicht verlässlich beseitigen.

Ein wichtiger Punkt: die Kosten

Die Kosten werden auch die Besitzer privater Immobilien umtreiben. Der Berliner Mieterverein hatte mit Blick auf die Kosten der Legionellenprüfung deren Sinn schon infrage gestellt. Für ein Haus mit acht Parteien belaufen sie sich auf rund 200 Euro. Der Vermieter kann die Summe auf die Mieter umlegen, so dass jeder Haushalt 25 Euro schultert. Doch die Kosten für eine Legionellendesinfektion liegen deutlich höher. Manch einen wird das schrecken.

Chorus ermutigt jedoch: „Das ist gut angelegtes Geld und ein Schutz vor einer schlimmen und überflüssigen Erkrankung. Auch Besitzer von Eigentumswohnungen, die gesetzlich nicht verpflichtet sind, sollten ihr Trinkwasser zum Wohl ihrer Gesundheit prüfen lassen.“ Das Aussitzen des Problems könnte teuer werden: Wer wissentlich verseuchtes Wasser abgibt, muss ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro und vielleicht sogar Klagen befürchten.