Viele Reisende vertrauen auf Bewertungsportale im Internet – dabei sollten sie vorsichtig sein. Auch Hoteliers werden immer öfter Opfer von Erpressungsversuchen mittels Bewertungen.

Stuttgart - Es gibt Hotelgäste, die schon beim Einchecken wissen, dass ihnen das Frühstück am nächsten Morgen nicht schmecken wird, falls sie keinen Upgrade ihres Zimmers zu einer Suite oder keinen Preisnachlass erhalten“, sagt Markus Luthe. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotelverbandes (IHA) hört immer wieder von Erpressungsversuchen an der Rezeption. Die Kunden würden den Hotelbesitzern oder Angestellten mit einer schlechten Bewertung im Internet drohen, sofern sie nicht bekämen, was sie wollten. „Das ist ein extrem ärgerliches Thema für uns“, sagt Luthe.

 

Der Verband empfiehlt seinen Mitgliedern in solchen Fällen, schneller als der drohende Kunde zu sein und den betreffenden Bewertungsportalen frühzeitig einen Hinweis zu geben, dass ein negativer Kommentar bei ihnen eingehen wird.

„Auch wir machen Fehler“

An einen besonders dreisten Hotelgast erinnert sich Erwin Fischer, der Direktor des Hauses Alte Werft in Papenburg. Ein Mann habe damals eine große, schwere Tagesdecke im Wert von mehr als 200 Euro einfach aus dem Hotelzimmer mitgenommen und später behauptet, dies aus Versehen getan zu haben. Nachdem der verdutzte Hoteldirektor erfolglos per E-Mail um Rückgabe oder nachträgliche Bezahlung gebeten und schließlich mit dem Anwalt gedroht hatte, entgegnete der Gast unverschämt: „Sie sollten sich das gut überlegen. Ich kann Ihr Hotel auch mal schnell im Internet durch den Kakao ziehen. Wie würde Ihnen das gefallen?“

Die schlechte Bewertung gab es dann tatsächlich, doch Fischer konnte sie erfolgreich löschen lassen. Heute hat sein Haus, das 1995 in ehemaligen Werkshallen der Meyer Werft eröffnet wurde, knapp 150 überwiegend positive Bewertungen bei Holiday Check und eine Weiterempfehlungsrate von 95 Prozent. Mit Beschwerden von Kunden geht der 55-Jährige offensiv um: „Wir beantworten jeden Eintrag und behandeln auch die negativen Urteile großzügig. Auch wir machen Fehler“, sagt Fischer. An der Rezeption liegen Kärtchen aus, mit denen jeder Gast zur Abgabe einer Online-Bewertung gebeten wird.

Die Reise beginnt beim Bewertungsportal

Mit der Lektüre von Bewertungen im Internet beginnt die Planung vieler Urlaubs- und Geschäftsreisen. Auf Seiten wie HRE, Holiday Check, Trip Advisor, Booking.com, Expedia, Opodo oder Trivago kann man sich nicht nur über Lage, Ausstattung und Preis einer Unterkunft informieren, sondern auch Erfahrungsberichte von Menschen lesen, die das Haus schon selbst besucht haben. In einer Studie des Verbandes Internet Reisevertrieb aus dem Jahr 2011 gaben 59 Prozent der Befragten an, Hotelbewertungen seien für sie bei der Wahl der Unterkunft „sehr entscheidend“. Sogar 95 Prozent halten die Online-Urteile für „glaubwürdig“ oder „sehr glaubwürdig“. Je mehr positive Bewertungen, desto weiter vorn taucht ein Haus in vielen Listen auf – und desto größer sind auch die Chancen, dass es gefunden und gebucht wird.

Folgendes abschreckendes Beispiel beschreibt die Zustände in einem Hotel und das Prinzip der Bewertungen: „Wir hatten das Gefühl, in einer Bahnhofswartehalle zu sitzen. Massenabfertigung pur. Das Zimmer war eine bessere Besenkammer, man konnte sich kaum umdrehen. Zudecken mussten wir uns mit einem Bettlaken und darüber eine Pferdedecke, schlimmer als auf einer Berghütte. Dafür lagen unter dem Bett noch die Kartoffelchips vom Vorgänger.“ In einem weiteren Erfahrungsbericht heißt es zum gleichen Haus: „Das Reinigungspersonal denkt gar nicht daran anzuklopfen oder mal Notiz zu nehmen vom „Do-not-disturb“-Schild, auch nicht nach freundlichem Bitten.“ Auf Holiday Check muss man sich lange durchklicken, um diese Herberge überhaupt zu finden.

Jede dritte Hotelbewertung ist Studien zufolge gefälscht

Solange die Bewertungen auch den Tatsachen entsprechen, erfüllen sie ihren Zweck. „Wir wollen ja, dass ein möglichst genaues Abbild der Unterkünfte im Internet entsteht“, sagt IHA-Geschäftsführer Luthe. Problematisch werde es erst, wenn Bewertungen gefälscht sind – was Untersuchungen zufolge bei bis zu einem Drittel aller abgegebenen Kommentare zutrifft. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig: Sie reichen von Hoteliers, die sich selbst positiv oder die Konkurrenz negativ bewerten über frustrierte Hotelangestellte, die dem ehemaligen Arbeitgeber eins auswischen wollen, bis zu käuflichen Bewertungsagenturen, die das Image eines Hauses gegen Honorar aufpolieren. Extrem übertriebene Erfahrungsberichte von tatsächlichen Gästen sind da noch das geringste Übel.

Markus Luthe erklärt, wie sich Bewertungsportale gegen fingierte Rezensionen schützen können: „Sie sollten sicherstellen, dass nur Gäste eine Bewertung abgeben, die auch tatsächlich im Hotel übernachtet haben.“ Die beiden großen Buchungsportale HRS und seine Tochter Hotel.de sowie Booking.com, die zusammen rund drei Viertel des Marktes abdecken, befolgen diesen Rat. Sie beugen Missbrauch vor, indem sie nur ehemaligen Gästen den Zugriff zum Bewertungsbereich ermöglichen. Der größte Hotelvermittler Holiday Check, der für die Buchung zumeist auf die Seiten anderer Anbieter weiterleitet, verlangt dagegen keinen Nachweis der Anwesenheit, vermerkt aber an der Bewertung, wenn ein solcher erbracht worden ist. Außerdem beschäftigt der Platzhirsch nach eigenen Angaben rund 60 Mitarbeiter, die nach Falschbewertungen auf den eigenen Internetseiten fahnden und deren Verfasser in Verdachtsfällen kontaktieren. Bei einer ganzen Reihe von Anbietern reicht jedoch eine einfache Anmeldung zum Beispiel mit einer Fantasie-E-Mail-Adresse wie schatzi98@web.de aus. Einmal eingeloggt, kann der Nutzer nach Lust und Laune Hotels benoten. Stiftung Warentest hat 2012 die gebräuchlichsten Bewertungsportale untersucht und ist auf erhebliche Defizite gestoßen: Fingierte Hotelbeurteilungen wie Blindtexte, Werbebotschaften, völlig übertriebenes Lob und auffällig falsche Angaben fanden den Weg in die Kommentarleisten.

Absolute Sicherheit wird es nicht geben, daher sei es umso wichtiger, dass den Hoteliers die Möglichkeit zur Reaktion auf alle Gästebewertungen gegeben wird, empfiehlt IHA-Chef Luthe. „Unsere Mitglieder sollten auch offen damit umgehen, wenn etwas schiefgegangen ist“, sagt er. Und die Hotelangestellten sollten alle Gäste beim Auschecken darum bitten, eine Bewertung abzugeben. Nur mit Gegenleistungen sollte das Urteil im Internet nie verbunden sein.