Der Leonberger Projektentwickler Stephan Schwarz über Immobiliengeschäfte und Preisschwankungen in Krisenzeiten.

Leonberg - Auch in der Corona-Krise ist die Wohnungsnot eines der drängenden Probleme in unserer Region. Der oft zu hörenden These allerdings, dass in diesen bewegten Zeit Immobilien an Wert verlieren oder gar zu Dumpingpreisen verkauft werden könnten, widerspricht ein Leonberger Immobilienfachmann vehement. Stephan Schwarz ist Chef des Immobilienentwicklers iep. Das Unternehmen mit Sitz in Höfingen engagiert sich vor allem im Bereich des Wohnbaus für Familien.

 

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Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Schwarz, dass es keine Anzeichen für Panikverkäufe oder einen Wertverfall gibt.

Herr Schwarz, oft ist zu lesen, dass die Corona-Krise das Platzen der Immobilienblase zur Folge haben könnte. Was ist eine Blase überhaupt?

Eine Immobilienblase entsteht, wenn die Nachfrage das Angebot am Immobilienmarkt übersteigt, die Preise steigen und dadurch nicht mehr den tatsächlichen Wert der Immobile wiedergeben. Eine Immobilienblase herrschte in den USA zur Bankenkrise 2008/2009.

Und wann platzt sie?

Eine Immobilienblase könnte platzen, wenn die Eigentümer aufgrund von Finanznöten, etwa durch Arbeitslosigkeit oder eine Krise, ihre Kredite nicht mehr bedienen können und dadurch viele Immobilien per Zwangsversteigerung an den Markt kommen. Dann kann das Angebot deutlich größer werden als die Nachfrage, was sinkende Preise zur Folge hätte.

Droht bei uns eine Immobilienblase?

In Deutschland und besonders in unserer Region kann dies trotz der Krise nahezu ausgeschlossen werden. Die Gründe liegen auf der Hand: Auch wenn es Ausnahmen gibt, spiegelt der überwiegende Teil der Immobilienangebote den tatsächlichen Wert, bestehend aus Grundstück und Gebäude, wider. Wohnraum ist in unserer Region schon seit vielen Jahren ein sehr knappes Gut und eine Verbesserung dieser Situation ist auch in den nächsten Jahren nicht in Sicht. Ein kurzfristig höheres Angebot von Wohnimmobilien würde der Markt daher ohne Weiteres aufnehmen. Allein in unserem Unternehmen sind 82 Wohneinheiten im Verkauf, mit derem Bau noch nicht begonnen wurde. Von denen sind aktuell 54 vergeben. Ich will damit sagen, dass auch in der Krise eine beträchtliche Nachfrage nach Immobilien besteht.

Könnte es nicht sein, dass Eigentümer Grund und Boden verkaufen müssen, um ihre eigene Liquidität zu sichern?

Eher nicht. Grundstücksverkäufer haben fast ausnahmslos einen gesicherten Lebensstandard, der unabhängig vom Grundstückserlös ist. Daher können sie fast immer zum bestmöglichen Preis verkaufen. Noch ein Beispiel aus der Praxis: Wir sind aktuell bei rund zehn Grundstücken in der Akquise tätig. Dabei stehen wir im Wettbewerb mit auch überregionalen Entwicklern. Bei den Verkäufern handelt es sich zu zwei Drittel um Erbengemeinschaften. Die machen nicht den Eindruck, auf das Geld dringend angewiesen zu sein. Am Ende der Verhandlungen entscheidet in der Regel das Höchstgebot.

Also bleibt die Wohnungsnot in unserer Region ein Dauerproblem?

Stephan Schwarz Foto: privat
Seit Jahren übersteigt der Bedarf nach neuem Wohnraum das Angebot um ein Vielfaches. Derzeit werden in der Region Stuttgart lediglich rund 60 Prozent des Bedarfs an neuem Wohnraum gedeckt. Da sich die derzeitige und künftige Bautätigkeit aufgrund von knappem Baugrund und vor allem durch langwierige Baugenehmigungsverfahren nicht verändert, wird sich dieser Trend auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Die aktuelle Krise kann vielleicht zu einem kurzfristigen Konsum- und Investitionsrückgang führen, jedoch besteht weithin ein Mangel an Wohnraum. Gerade in unserer Region ist neuer Wohnraum in vielen Formen dringend erforderlich. Eine Überproduktion mit Rabattangeboten ist nicht zu erwarten.

In Zeiten von Kurzarbeit und unsicheren Wirtschaftsperspektiven dürften viele vor einem Immobilienkauf zurückschrecken. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Insgesamt kann man sagen, dass die Anfragen von Interessenten um fast die Hälfte zurückgegangen ist. Größtenteils werden individuelle Sorgen, etwa Kurzarbeit, als Grund genannt. Aber zumeist verschieben die Interessenten ihre Pläne nur. Dass der Bedarf trotzdem gedeckt werden muss, wird nicht in Frage gestellt. Das liegt auch an der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Das ermöglicht weiterhin günstige Baufinanzierungen und erleichtert den Kauf von neuem Wohnraum. Diese Rahmenbedingungen werden auch zukünftig für Nachfrage auf dem Neubaumarkt sorgen.

Die Zinsen sind günstig, aber das Bauen an sich wird immer teurer...

Bei uns sind fast 4000 Normen für den Bau einer Immobilie relevant. Das sind mehr als je zuvor und mit ein Grund, warum Bauen immer teurer wird. Ein gutes Beispiel ist der Gesetzentwurf, der ab 2022 vorsieht, dass jeder Neubau zwingend mit einer Fotovoltaikanlage auszustatten ist. Das verteuert etwa ein Reihenhaus um 7500 Euro.

Auch das Baumaterial wird teurer.

In verschiedenen EU-Ländern ist die Produktion von Baustoffen gestoppt. Bei den Kosten für Baumaterial ist die erste Erhöhungsrunde in diesem Jahr schon durch. Ich gehe davon aus, dass noch ein bis zwei Preiserhöhungen kommen werden. Die Baupreise sind im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3,4 Prozent gestiegen. Bei reinen Baukosten von etwa 2800 Euro je Quadratmeter Wohnfläche entspricht dieser Anstieg einer Verteuerung um etwa 95 Euro. Ob sich die Preise für Baumaterial aus dem Ausland, zum Beispiel Baustahl, durch die Coronakrise zusätzlich verteuern werden, kann nicht abschließend beurteilt werden.

Gibt es auf dem Bausektor noch genügend Arbeitskräfte?

Die Baubranche ist schon seit vielen Jahren stark abhängig von Arbeitskräften aus dem Ausland. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren vom Rohbau auf den Innenausbau übertragen. Ohne Saison- und Facharbeiter aus dem Ausland könnte der Neubau in Deutschland in der jetzigen Form nicht stattfinden. Durch die momentan geltenden Einreisebeschränkungen in die EU und nach Deutschland ist der Nachschub von ausländischen Arbeitskräften vorerst passé. Daher können Baustellen in der jetzigen Situation nur mit den derzeit in Deutschland zur Verfügung stehenden Arbeitskräften umgesetzt werden. Sinkende Preise bei Handwerksbetrieben sind daher nicht zu erwarten.

Sie schließen Preissenkungen also kategorisch aus?

Eine kurz- bis mittelfristige Stagnation der Kaufpreise für Neubauimmobilien ist schon möglich. Ein regelrechter Preisverfall ist sehr unwahrscheinlich.