Barfußlaufen liegt im Trend – der Barfußwanderer Martl Jung erklimmt auf diese Art auch hohe Gipfel. Aber sollte man einfach so ohne Schuhe loslaufen? Barfußwanderer, Fußspezialisten und Sportmediziner sagen, worauf man achten sollte.

Martl Jung mag keine Schuhe. Sie sind eng, feuchtwarm und lassen die Fußmuskulatur schrumpfen. Bei einer Pause auf einem Gipfel der Hohen Tauern hatte Jung seine Wanderschuhe ausgezogen – und zieht sie seitdem kaum noch an. Das war vor 30 Jahren, heute ist er Deutschlands bekanntester Barfußwanderer. Nicht nur er läuft gerne auf blanken Sohlen. Seit ein paar Jahren entdecken immer mehr Menschen das Barfußlaufen für sich.

 

Überzeugte Barfüßler argumentieren mit zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen: Abwehrkräfte sollen gestärkt, Stoffwechsel sowie Durchblutung angeregt und die Fußmuskulatur gekräftigt werden. Jung, der mit seiner Familie am bayrischen Alpenrand lebt und mehrfach barfuß die Alpen überquert oder den berühmten Zugspitzberglauf vier Mal ohne Schuhe bestritten hat, bestätigt das. Eine dicke Lederhaut an der Fußsohle, ein bewusstes Abrollen und ein gestärkter, breiter Vorfuß tragen ihn über Wiesen, Gestein, Schotter und Waldwege.

Der Fuß braucht Beweglichkeit

Auch der Fußspezialist Carsten Stark lässt gerne die Schuhe zu Hause stehen und geht Barfuß durch den Englischen Garten in München oder in die Berge. In seiner Praxis stehen die Füße im Mittelpunkt: Mittels eines Fußscans sowie einer Stand- und Ganganalyse schaut er sich die Füße seiner Patienten, die meist mit langjährigen, scheinbar unlösbaren Beschwerden zu ihm kommen, ganz genau an. „Füße wirken auf unsere Knie, den Rücken und unsere Gelenke und bestimme so unmittelbar unser Wohlbefinden“, sagt Stark, der auch Barfußlauftraining für Amateur- und Profisportler anbietet. Statt zu Einlagen, Spritzen oder gar Operationen rät er zu einer Kräftigung der natürlichen Fußmuskulatur. „Schuhe sind nicht notwendig für einen gesunden Gang. Was der Fuß braucht, ist Beweglichkeit und ein Training, das Muskeln, Bänder und Sehnen stärkt“, erklärt Stark.

Auch Axel Klein, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, steht dem Barfußtrend positiv gegenüber. „Evolutionär betrachtet, sind Menschen überwiegend barfuß gelaufen. Erst die moderne Zivilisation zwang uns, Füße vor harten Böden oder dem städtischen Leben zu schützen“, sagt Klein, der als Sportmediziner und Orthopäde in Dresden praktiziert. Schuhe seien primär nicht falsch, doch viele Fußbeschwerden wie Krallen-, Hammer- oder X-Zehen entstünden gerade durch zu enges Schuhwerk mit hohen Absätzen. Je später man mit Barfußlaufen beginne, desto vorsichtiger sollten Neulinge aber sein, sagt Axel Klein. Die Dämpfung im Bewegungsapparat sei durch altersbedingte Verschleißerscheinungen von Knorpel und Knochen meist schwächer. Diabetikern und Personen mit einer Instabilität im Sprunggelenk oder Wunden an den Füßen rät Klein vom Barfußlaufen ab.

Barfuß achtet man mehr auf den Weg

Nicht nur der Fußgesundheit können Wanderer etwas Gutes tun, sondern auch der Psyche. Denn wer barfuß geht, bewegt sich bewusster und muss zwangsweise seine Umgebung mit Augen und Füßen intensiver wahrnehmen, sagt Barfußwanderer Martl Jung. Rezeptoren in der Fußsohle koordinieren Wahrnehmungen und Reize und übermitteln wichtige Informationen zur Oberflächenbeschaffenheit, Temperatur oder Bodenfeuchte an das Gehirn.

Zudem muss man sein Lauftempo der Wegbeschaffenheit anpassen; selbst wenn der Kaiserschmarrn schon aus der Ferne duftet. Sanfte Wiesen, glatter Granitstein oder Sandstein seien allgemein unproblematisch. Aufpassen muss Jung besonders auf scharfkantigen, rauen Oberflächen, zum Beispiel auf Touren in den Dolomiten. „Hier ist Konzentration gefragt, wir haben schließlich nur dieses eine Paar Füße.“

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Mehrstündige Barfußwanderungen, wie sie Martl Jung regelmäßig macht, sind jedoch der falsche Einstieg für Barfußneulinge. Denn Barfußlaufen ist für ungeübte Füße eine ungewohnte Belastung, Muskeln und Sehnen brauchen ihre Zeit, um sich an das neue Laufgefühl zu gewöhnen und sukzessive Kraft aufzubauen.

Täglich 15 bis 20 Minuten über mehrere Monate hinweg auf verschiedenen natürlichen Untergründen das Barfußlaufen auszutesten und dabei Gang und Haltung zu beobachten, genüge für den Anfang, sagt Stark. Auch Barfußparks mit wechselnden Untergründen aus Gras, Kies, Sand, Moor und Holz, die es in vielen Regionen gibt, eignen sich für den Anfang. Schuhe sollten sich am besten immer im Rucksack befinden, falls Überlastungen oder Reizungen auftreten.

Mit Barfußschuhen rantasten

Ein Mittelweg sind übrigens Minimalschuhe, die streng genommen keine Schuhe sind. Solche Barfußschuhe oder Zehenschuhen bieten Schutz durch eine dünne, flexible Sohle und sind gleichzeitig breit geschnitten und fordern die Stabilität und Flexibilität des Fußes heraus. Achten sollte man auf eine durchstichfeste Sohle und ein robustes Material, dem auch schärfere Gesteinsoberflächen nichts ausmachen, rät Sportmediziner Klein. Dann stünde einer leichten Bergwanderung im Sommer nichts im Wege.

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Gang
Fürs Barfußlaufen, aber auch generell gilt: Aufrecht gehen, sanft aufsetzen und über den Vorfuß abrollen. Wer sich beim Gehen die Ohren zuhält, sollte seinen Gang nicht hören können. Beweglichkeit aufzubauen und gleichzeitig die Fußmuskulatur zu stärken, ist essenziell für einen längeren Barfußmarsch.

Fußsohle
Wer immer Schuhe trägt, hat zumeist eine dünne, empfindliche Fußsohle. Frauen in der Regel öfter als Männer. Robust wird sie durch bewusste Reizung und regelmäßiges Barfußlaufen.