Drei Jahre nach den Anschlägen in Tunesien kommen die Touristen zurück – auch an die Orte, die damals vom Terror erschüttert wurden. Aber wie sicher ist es dort heute?

Tunis - Beim Sandburgbauen am Strand von Hammam Sousse verdeckt nur hin und wieder der Security-Mann die Sicht aufs Wasser. Sein Blick schweift zu dem Kleinkind, das eifrig den Sand zu Klumpen matscht, gleitet übers Meer und endet bei seinem Kollegen, der 300 Meter entfernt das Ende des Strandabschnitts bewacht. „Ausgerechnet in dem Hotel, in dem so etwas Schreckliches passiert ist, fühle ich mich besonders sicher“, sagt Thomas Heine, der ein paar Meter weiter im Schatten liegt. Der Bauingenieur aus Berlin kommt jedes Jahr nach Tunesien – Angst um sein Leben hat er hier nicht. Heine will seinen richtigen Namen nicht verraten. Noch ist er einer von wenigen, die wieder dort Urlaub machen, wo Seifeddine Rezgui am 26. Juni 2015 plötzlich aus dem Wasser auftauchte. Am Strand des damaligen Imperial Marhaba Hotels, unweit des Badeortes Sousse, erschoss der Tunesier 38 Menschen. Die meisten Opfer stammten aus Großbritannien, zwei aus Deutschland.

 

Drei Jahre nach der Krise kommen die Deutschen wieder

Der Anschlag – wenige Monate nach dem Attentat im Bardo-Nationalmuseum – stürzte den tunesischen Tourismus in eine tiefe Krise: Zehntausende Touristen stornierten ihren Urlaub. Großbritannien verhängte Reisewarnungen und warf Tunesien Versagen in der Sicherheitspolitik vor. Reiseveranstalter nahmen das Land aus dem Programm. Drei Jahre später hat die Regierung die Sicherheitskräfte von Polizei und Militär mit internationaler Hilfe aufgerüstet und dem Terrorismus den Kampf angesagt.

Die Politik wirkt: Die Touristenzahlen steigen offiziellen Angaben zufolge stark: 5,7 Millionen Besucher kamen demnach 2017, darunter mehr als 180 000 deutsche – 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit kehren die Deutschen schneller zurück als andere Europäer. Noch haben viele Angst vor weiteren Anschlägen.

Terror im Archäologischen Museum

Ist diese Angst berechtigt? Wie viel sich in Sachen Sicherheit getan hat, lässt sich am besten an den Orten beobachten, die Zielscheibe des Terrors wurden: in Sousse und im Bardo-Nationalmuseum in Tunis. Der Weg zu einer der weltweit größten Sammlungen römischer Mosaike führt an schwer bewaffneten Polizisten vorbei. Auf dem Parkplatz hatten am 18. März 2015 zwei Attentäter das Feuer auf Touristen eröffnet, die aus ihren Reisebussen stiegen und ins Archäologische Museums zu fliehen versuchten. Doch die verwinkelten Räume wurden zur Todesfalle, als die Terroristen das Gebäude stürmten. 24 Menschen starben, ihre Namen und Herkunftsländer stehen heute auf einem Denkmal aus schwarzen und weißen Mosaiksteinen vor dem Eingang in die Galerien.

An diesem Wochentag haben sich nur wenige ins Museum verirrt. Durch die fast leeren Ausstellungsräume hallt die Stimme von Alaya Ammar, der gerade eine Gruppe durch die Sammlung römischer Marmorstatuen führt. „Ich gehe immer noch gerne jeden Tag zur Arbeit. Seit die Security hier ist, fühle ich mich sicher“, sagt der Museumsmitarbeiter. Er hat sich damals hinter der Rezeption versteckt, an der er täglich Besucher empfängt. Vor dem Anschlag, sagt Ammar, kamen viele Gäste aus Deutschland, Italien oder Großbritannien. Heute kommen sie vermehrt aus Russland oder China. Trotzdem ist Ammar zuversichtlich, dass dieses Jahr wieder mehr Europäer ins Land reisen werden. Mit ihnen kehrt die Hoffnung auf bessere Zeiten zurück – der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Laut der zuständigen Ministerin Selma Elloumi erwartet Tunesien 2018 mehr als acht Millionen Besucher.

Der bestbewachte Strand Tunesiens

Nicht nur in Tunis sieht man mehr Sicherheitskräfte: Der Strand vom Hafenort Port El-Kantaoui bis Sousse ist wohl der bestbewachte Tunesiens: Jedes Hotel beschäftigt Sicherheitsleute; Polizisten auf Quads und Pferden patrouillieren hier regelmäßig. Das frühere Fünfsternehotel Imperial Marhaba, vor dessen Einfahrt der Attentäter damals erschossen wurde, hat einen neuen Besitzer: Fast zwei Jahre lang hat die deutsche Steigenberger-Hotelgruppe das Haus renoviert und ihm den klangvollen Namen Steigenberger Kantaoui Bay verpasst. In der eleganten Empfangshalle mit tunesischen Mosaikfliesen erinnert auf den ersten Blick nichts an das Attentat. Etwas versteckt zwischen Palmen und Sonnenliegen findet sich jedoch eine kleine Glastafel. „Für die Männer und Frauen der Stadt Sousse. In Anerkennung Ihres großen Mutes und Einsatz für die Opfer der Terrorattacke“ steht darauf in Englisch und Arabisch, gestiftet vom damaligen britischen Außenminister Philip Hammond an das Hotelpersonal. Die Mitarbeiter hatten die Gäste professionell evakuiert und weitere Tote verhindert. Erst 35 Minuten nach den ersten Schüssen gelang es der Polizei, den Täter zu stoppen. Britische Sonderermittler bescheinigten ihr schweres Fehlverhalten, die tunesischen Polizisten stehen in Tunis noch immer vor Gericht.

„Ich habe gesehen, wie die Leute panisch auf mich zu gerannt kamen, und sie in Sicherheit gebracht“, erinnert sich Khemaies Bouzaiene. Der Bademeister, seit 24 Jahren im Hotel angestellt, kannte viele Stammgäste persönlich. Der 47-Jährige ist froh, dass er – wie die Mehrheit des Personals – wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren konnte. „Dieses Jahr werden wir komplett ausgebucht sein. 40 Prozent unserer Gäste kommen aus Deutschland“, erklärt der Hotelmanager Kilani Marouane stolz, der optimistisch in die Zukunft blickt – sein Hotel erfüllt schließlich alle Sicherheitsvorschriften.

Tee trinken mit Einheimischen in Sousse

Und außerhalb des Hotels ? Auf der Straße entlang der „Zone Touristique“ kontrolliert die Polizei fast jedes Fahrzeug, besonders mit Nummernschildern aus Algerien und Libyen. „Ich habe mich daran gewöhnt. Auch wir Tunesier fühlen uns damit sicherer“, sagt Aymen Fersi. Der angehende Arzt aus Sousse erinnert sich noch daran, dass sich nach dem Anschlag viele Bewohner nicht mehr auf die Straße getraut hatten. „Deswegen haben wir Picknicks am Strand organisiert, um zu zeigen: wir haben keine Angst, Sousse ist sicher“, sagt Fersi. Er ist ein aktives Mitglied der Organisation We love Sousse , die mit kulturellen Events die Lebensqualität ihrer Stadt verbessern möchte. In der Stadt an der Mittelmeerküste scheint der Anschlag fast vergessen – oder bewusst verdrängt: In Sousse schieben sich mehr Einheimische als Touristen durch die Gassen der ältesten Medina Tunesiens. „Ich bin ständig hier, trinke Tee und genieße die Gastfreundschaft“, sagt Corina Schäfer. Die 55-jährige Reisekauffrau aus Gera kennt das Land gut. Ob sie sich sicher fühlt? „Ich werde hier auf Händen getragen. Wenn ich Angst vor Terror hätte, dürfte ich auch in Deutschland nicht auf die Straße gehen.“