Milan Hosseini am Boden und Elisabeth Seitz am Stufenbarren versetzen die deutsche Turnriege bei der EM in der Türkei mit dritten Plätzen ins Glück.

Für einen Turner besitzt Milan Hosseini nicht gerade Gardemaß. 1,77 Meter ist der Sportsoldat groß, und das kann bei Kunststücken, bei denen es um Hebelverhältnisse und Breitenachsen-Rotationen geht, durchaus von Nachteil sein. Doch der 21-Jährige mag sich nicht beschweren: Die Reckstange hänge hoch genug, damit seine Füße bei den Riesenfelgen nicht die Matte darunter streifen, und nur am Barren fielen ihm die Schwünge im Vergleich zur deutlich kleineren Konkurrenz etwas schwerer.

 

Am liebsten am Boden

Ein langer, schmaler Körper hat zudem auch seine positiven Seiten. Er wirke relativ elegant, sagt Hosseini selbst. Gerade am Boden, seinem Lieblingsgerät. Bei den Europameisterschaften in Antalya stand der gebürtige Heilbronner als einziger deutscher Vertreter in den Geräteentscheidungen bei den Männern. Das allein schon hatte den Debütanten enorm glücklich gemacht. Dass am Ende dann sogar eine Bronzemedaille herauskommen würde, das hätte selbst Bundestrainer Valeri Belenki nicht gedacht.

Als Dritter der acht Starter war der Vorkampfvierte auf die Matte gegangen. Fehlerfrei kam er nicht durch sein Programm. Beim Doppel-Tsukahara, einem Doppelsalto rückwärts mit zwei Schrauben, kam er nicht sauber in den Stand, und den Nationalcoach verwirrte die Vorstellung seines Sportlers sogar etwas: Belenki legte kostenpflichtig Protest ein, weil die Schwierigkeit der Übung von den Kampfrichtern um ein Zehntel geringer eingeschätzt wurde als in der Qualifikation. Die Investition hätte der 53-Jährige sich sparen können: Hosseini selbst hatte den sogenannten Russenwendeschwung, eine vom Seitpferd entliehene Drehung mit gestrecktem Körper auf zwei Händen, nur doppelt statt dreifach präsentiert. Doch all das war vergessen, als nach langer, die Nerven strapazierender Wartezeit der Podestplatz feststand. „Besser hätte meine erste EM nicht laufen können“, betonte Hosseini.

Salti sind cool

Dass er für das Turnen, das er zu seiner Sportart wählte, weil er als Kind Salti „cool“ fand, laut Belenki „brennt“, hatte der Sohn eines afghanischen Vaters schon vor sieben Jahren bewiesen. Damals hatte der bis heute für die TG Böckingen startende Athlet seine beschauliche Heimat verlassen, um nach Berlin umzuziehen. „Das Gesamtpaket“ dort überzeugte ihn, es war die optimale Möglichkeit, Schule und Sport unter einen Hut zu bringen. Beim Übergang vom Nachwuchs zu den Aktiven musste der deutsche Jugendmeister eine Pause einlegen: 2021 ließ sich Hosseini an der lädierten Schulter operieren, ein Jahr später kehrte er beeindruckend zurück. Bei den Finals in seiner sportlichen Heimat wurde er, auch damals eher nicht erwartet, deutscher Meister am Boden und trat bei den Weltmeisterschaften im Herbst in Liverpool die Rolle des Ersatzmannes an. Die Luft der großen Bühne zu schnuppern habe ihm damals gutgetan, ließ er wissen.

Seitz ist eine Bank

Hosseini sollte am Samstag nicht der einzige Medaillengewinner des Deutschen Turner-Bundes (DTB) bleiben: Elisabeth Seitz sicherte am Stufenbarren auch den Frauen eine bronzene Plakette. Dass es nicht wieder wie 2022 in München die goldene war, verdarb der 29-Jährigen die Freude nicht. „Dass es wieder für einen Podestplatz gereicht hat, hat mir selbst bestätigt, auch wenn ich das gar nicht muss, dass ich es weiterhin draufhabe am Barren“, sagte die Dauerfinalistin aus Stuttgart.

Hausaufgaben nimmt die angehende Lehrerin trotzdem von den Titelkämpfen mit: Am Schwebebalken hatte sie zweimal gepatzt, und schnellstmöglich will die EM-Silbermedaillengewinnerin im Mehrkampf von 2011, die Boden ausließ, möglichst wieder an allen vier Geräten ihrem Team helfen können. Bestenfalls bei der WM im Herbst, für die sich die Frauen als EM-Neunte qualifiziert haben und wo es auch für sie um die Reise nach Paris geht. „Es gibt noch viel zu tun“ bis dahin, sagte DTB-Sportdirektor Thomas Gutekunst bei seinem Fazit. Auf Seitz kann er sich dabei verlassen.