Die Abhängigkeit von russischem Erdgas führt nun zu großen Problemen bei der Energieversorgung. In der Talkrunde bei Markus Lanz drückt sich ein Politiker vor der Übernahme von Verantwortung, hat aber eine Lösung für finanzielle Probleme parat.

Fast sechs Monate dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nun schon. Die Folgen sind auch hierzulande deutlich zu spüren – etwa bei der Energieversorgung und den Gaspreisen. Was bedeutet die Abhängigkeit von russischem Gas – und wer hat sie zu verantworten? Reicht aus, was getan wird, um damit umzugehen? Und welche sozialen Folgen hat die Energiekrise? Um diese Fragen ging es in der Nacht zum Freitag in der ZDF-Talksendung „Markus Lanz“.

 

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bringt die Kohlekraftwerke ins Spiel, für die er lange gekämpft habe und vor deren Abschaltung er gewarnt habe. „Ich habe auf die Abhängigkeit hingewiesen“, sagt Haseloff und meint jene vom russischen Gas. „Es kann keiner sagen, das war ihm nicht offenkundig.“ Er sei auch in einem Alter, sagt er später in der Debatte, in dem er durchaus noch wisse, was er von so jemandem wie Putin zu halten habe.

Heißt das: Hier hat jemand die Probleme vorhergesehen – und will keine Verantwortung übernehmen?

Russlandpolitik der früheren Regierung in der Kritik

Das politische Warnen vor einer Abhängigkeit von Russland, sagt dagegen die Zeit-Redakteurin Anne Hähnig, sei nicht sehr konsistent gewesen. Auch Herr Haseloff habe sich etwa dafür eingesetzt, dass Nord Stream 2 gebaut wird – und gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Ministerpräsidenten im Jahr 2018 ein Ende der Sanktionen gegen Russland nach der Besetzung der Krim.

Eine engere Zusammenarbeit mit Russland, wie damals gefordert, sei gerade in Ostdeutschland populär gewesen, meint die Leiterin des Leipziger Büros der Zeit. Sie vermisse teils das Eingeständnis, sich getäuscht zu haben. „Ihre Partei, die Kanzlerin ihrer Partei und auch Sie persönlich haben die Russlandpolitik der früheren Regierung zu verantworten“, sagt Hähnig in Richtung Haseloff. Da könne man sich doch nicht hinstellen und sagen: „Das haben wir alles gewusst“.

Wer also ist verantwortlich für die Gas-Abhängigkeit und die derzeitige Situation? Ex-Diplomat Rüdiger von Fritsch ist hier sehr hart in seinem Urteil: „Wir alle sind für die eingetretene Situation verantwortlich“, sagt er und meinte damit auch das Wahlverhalten. Bei einer Abkehr von Kohle- oder Atomenergie bliebe eben zunächst nur Gas, das sei klar gewesen. Auch Haseloff merkt an, dass der Atomausstieg beispielsweise „immer Konsens“ gewesen sei, auch gesellschaftlich.

Verantwortung abschieben – ein „rhetorischer Kniff“

An diesem Punkt geht Markus Lanz nicht mit. Die Verantwortung auf alle abzuschieben sei „ein rhetorischer Kniff, der im Moment oft getan werde“, sagt er. Auch Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte, findet das „ein bisschen einfach“. Es gebe Leiter des Staates, eine Kanzlerin oder einen Kanzler, Ministerpräsidenten, Diplomaten, „die natürlich ein anderes Wissen haben als der durchschnittliche Bürger. „Dann können diejenigen, die in Verantwortung sind, nicht sagen: Sorry, ihr seid alle dabei, ihr habt ja CDU oder SPD gewählt.“

Er erwarte zumindest Offenheit, sagt Neitzel, – warum etwa habe Angela Merkel nicht deutlicher gewarnt und Argumente vorgebracht, wenn die Gefahr einer Abhängigkeit von Russland offenbar so klar gewesen sei? Auch Markus Lanz wirft ein: gerade in der Zeit der Großen Koalition aus CDU und SPD sei die Abhängigkeit von russischem Gas von 30 auf 50 Prozent gewachsen, auch nach dem russischen Einmarsch auf der Krim. Das Problem, sagt Diplomat Rüdiger von Fritsch, sei aber: „Sie müssen mit Realitäten umgehen“. Und meint damit wohl: Der hiesige Energiehunger muss gedeckt werden – auch wenn man um Probleme oder Abhängigkeiten weiß, die das mit sich bringt.

Eine Übergewinnsteuer als Möglichkeit zur Umverteilung

Wie aber lässt sich nun umgehen mit der Energiekrise? Wie lassen sich die hohen Preise für Gas abfedern? Ministerpräsident Reiner Haseloff fordert in der Runde, jene mit zur Kasse zu bitten, die durch den Krieg und die Energiekrise derzeit hohe Gewinne erzielen – sogenannte Windfall-Profits. „Wir brauchen Zugriff auf diese Windfall-Profits, auf diejenigen, die sich gerade dumm und dämlich verdienen“, sagt Haseloff und spielt damit auf die Debatte um eine Übergewinnsteuer an, die in den vergangenen Wochen immer wieder aufkam. „Meine Hand ist im Bundesrat sofort hoch, wenn es darum geht, dieses Geld abzugreifen“, betonte Haseloff.

Die Einnahmen aus der Besteuerung von Profiteuren der Krise könnten Haseloff zufolge dann gegen Wladimir Putin eingesetzt werden. Oder zur Unterstützung etwa von hiesigen Unternehmen, die durch die Folgen der Energiekrise stark ins Straucheln geraten – wie der Düngemittelhersteller SKW Stickstoffwerke Piesteritz. „Die produzieren derzeit nicht“, sagt Haseloff, durch die aktuellen Gaspreise würde das Unternehmen aus Wittenberge monatlich bis zu 90 Millionen Euro Verlust machen. Dieser Ausfall nun führe dazu, dass Düngemittel unter anderem aus Russland importiert werden müsse.