„Machen Sie’s gut, vielen Dank“: Stefan Raab beendet mit der 55. Ausgabe von „Schlag den Raab“ seine grandiose TV-Karriere – angeblich.

Stuttgart - Oh Schreck. Drei Uhr? Im Ernst? Nicht nur Stefan Raabs Sportkommentator Frank „Buschi“ Buschmann schwante, „Schlag den Raab“ könnte an diesem besonderen Samstagabend „länger senden als gewöhnlich – also bis drei“. Da war es gerade um Mitternacht herum und erst zehn von fünfzehn Quiz- und Sportrunden gespielt. Nicht, dass man solche XXL-Showdimensionen von dem Pro-Sieben-Entertainer Raab nicht gewöhnt wäre. Den Rekord hält der Spitzenüberzieher (der in dieser Ferndisziplin andere legendäre Spitzenüberzieher wie Hans-Joachim Kulenkampff und Thomas Gottschalk haushoch schlägt) mit der „Schlag den Raab“-Ausgabe vom 1. November vorigen Jahres: sechs Stunden und acht Minuten.

 

Die allerletzte Ausgabe dieser Unterhaltungsrekorde (und beinahe Hälse) brechenden Show geht dann aber doch nicht als die allerlängste in die Fernsehannalen ein. Schon um zwei Uhr war Ende. Ein Ende, das den Beginn von Stefan Raabs Fernsehrente markiert. Angeblich ja für immer.

Man kann es diesem niemals unkreativen Fernsehtier nicht verdenken, dass es seine immerhin schon 49 Jahre alten Knochen künftig schonen will. In einer sporadisch eingespielten „Top Ten“-Rückschau auf die spektakulärsten „Schlag den Raab“-Momente wurde klar: das waren physisch verdammt harte neun Jahre für Stefan Raab. Gehirnerschütterung, Bänderriss, Schnittwunden, Prellungen, Blut und blaue Flecken. Und da sind die Blessuren aus den anderen körperintensiven Shows noch gar nicht mit aufgezählt.

Die Monica Seles der Fernsehunterhaltung

Die 55. Ausgabe von „Schlag den Raab“ blieb, Gott sei Dank, verletzungsfrei. Im Unterschied zu den 54 vorherigen konnte sich „der Meister aller Klassen“ (Moderator Steven Gätjen) diesmal nicht nur an einem Kandidaten, sondern gleich an fünfzehn abarbeiten, in Disziplinen wie „Blamieren oder Kassieren“ und Kartfahren. Das hat man so oder so ähnlich in all den Jahren schon x-mal gesehen. Und dennoch, nach Phasen größter Langeweile (mit Einschlafreflex) gelang es Raab auch diesmal immer wieder, sein Publikum bis in die Haarspitzen von Neuem zu elektrisieren und mit lautstarkem Kampfgeist aufzurütteln – auch wenn es, um Buschi wieder zu zitieren, „kein Genuss ist, sich das anzuhören“. Im Schnitt 3,89 Millionen (17,4 Prozent Marktanteil) verfolgten die Sendung, was eine überdurchschnittliche Quote für die Spielshow war, die zuletzt meist nur auf etwa zweieinhalb Millionen Zuschauer gekommen war.

Die Bilanz der Monica Seles der Fernsehunterhaltung: überwältigend. Fast immer gewann Raab. Zum Finale einer grandiosen Fernsehkarriere Milde walten lassen? Nachlassen? Aufgeben? Niemals! Er könne ja sagen, ich lasse heute alle gewinnen, sagte der Ehrgeiz in Person zu Showbeginn. „Aber ich glaube, das wollen Sie nicht. Die Kohle geht eh raus.“ Stimmt. 1,5 Millionen Euro waren zum Schluss auf sechs Kandidaten verteilt. Goldiger Glitterregen. Und die Frage: wird es wieder nass um Raabs Augen wie drei Tage zuvor bei der allerletzten „TV Total“-Folge?

Tatsächlich, es wurde auch am frühen Sonntagmorgen weinerlich. Nur aus anderem Grund. Der ansonsten doch eher begnadete Singer-Songwriter dilettierte mit der Hymne „One Moment in Time“ von Whitney Houston. Zum Glück nur kurz. Ein Testbild unterbrach das Gejaule. Und nach gefühlt einer halben Stunde meldete sich der Raabinator zurück, diesmal mit Gitarre, Kunstfellhülle und knallroten Rentierschaufeln auf dem Kopf. Die Heavytones rockten mit ihrem Bandleader Raab zu Ehren von Chuck Berry „Run run Rudolph“. Und das war dann gar nicht zum Heulen. Luftküsse ans Publikum. Ein letztes „Machen Sie’s gut, vielen Dank.“ Dann verschwand Stefan Raab in der Kulisse.

Jetzt ist also Schluss mit lustig auf Pro Sieben. Alles aus. Schade? Jein. Zeit für was Neues. Zeit für mehr (Kritiker-)Schlaf.