„Freundinnen – Alle für eine“ trumpft mit den starken Hauptdarstellerinnen Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Sophie von Kessel sowie einem hübschen Filmsong auf. Kann die Geschichte der Tragikomödie da mithalten? Lohnt es sich, am 10. Februar um 20.15 Uhr die ARD einzuschalten?

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Mit euch damals, das war doch die schönste Zeit“, sagt Sascha zu ihrer Freundin Karla. Die beiden sitzen in einer kühlen Frühlingsnacht vor dem Haus und schwelgen in Erinnerungen an ihre Jugendzeit. Sascha denkt oft zurück, denn vorwärts ist der Weg versperrt: Sie hat Krebs, eine Brust wurde ihr bereits entfernt, und es sieht nicht gut aus für sie. Damals – das war die Zeit, als die beiden nebst Karlas Schwester Alice als Band-Trio ChiX die ganze Stadt in Aufruhr versetzten. Karla antwortet: „Ich dachte immer, das Schönste kommt noch.“ Während die eine schon Abschied vom Leben nimmt, ist die andere noch nicht darin angekommen. Ein Dialog, scheinbar beiläufig hingeworfen, der aber die Figuren auf den Punkt bringt.

 

Von dieser Sorte gibt es einige in „Freundinnen – Alle für eine“ von Regisseur Jan Ruzicka; das Drehbuch hat Hardi Sturm nach einer Idee von Iris Kobler und Michael Gärtner verfasst. Die Tragikomödie zeigt drei Frauen um die Vierzig im Krisenmodus – und das Thema ist der größte Schnitzer, den man dem Film der ARD-Tochter Degeto vorwerfen muss. Ungezählt die TV-Dramen, in denen Freundinnen knietief in Lebenslöchern stecken und sich gegenseitig daraus heraus helfen. In diesem Fall trifft es die drei unterschiedlich hart. Immerhin verzichten Ruzicka und Sturm darauf, die Schicksalsschläge gegeneinander aufzurechnen. Nicht durchweg konsequent sind sie hingegen beim Auslassen von allzu romantisierenden Wohlfühl-Wendungen nach dem Motto: „Jede Krise birgt eine Chance“.

Scherben von Ehe und Lebenstraum

Sascha (Nicolette Krebitz) muss sich mit dem Tod auseinandersetzen; die größten Sorgen der alleinerziehenden Mutter gelten ihrem 15-jährigen Sohn Paul, der ein Internat besucht. Bislang hat sie es nicht gewagt, ihm reinen Wein einzuschenken. Die flippige Karla (Katja Riemann), die nie um eine schlagfertige Replik verlegen ist, steht vor den Scherben ihrer Ehe und Lebensträume: Ihr Mann Max (Thomas Huber) bekommt von einer Abiturientin ein Kind und damit das, was Karla angesichts der sich ankündigenden Menopause verwehrt bleibt, obwohl sie es sich sehnlichst gewünscht hat.

Eher spezieller Natur sind die Probleme ihrer erfolgreichen jüngeren Schwester (Sophie von Kessel), mit der sie sich immer noch so neiderfüllt zankt wie in Kindertagen: Alice, die als Model viel Geld scheffelt und deshalb mit dem Ehemann die Rollen getauscht hat, muss feststellen, dass ihre Familie im Luxusheim nur noch nach außen ein gutes Bild abgibt. Kinder und Mann scheinen ihr zu entgleiten.

Gibt man sich einen Ruck und sieht über das abgelutschte Sujet hinweg, muss man sich eingestehen, dass man neunzig Minuten lang der Geschichte der drei Frauen und dem blendend aufspielenden Cast folgt. Wobei nicht nur Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Sophie von Kessel zu loben sind. Bemerkenswert souverän meistert Damian Hardung als Paul einige emotional herausfordernde Szenen. Der Regisseur Jan Ruzicka hält die Balance zwischen Ernst und Leichtigkeit, wird trotz der zentralen Krankheitsgeschichte und den Freundschaftsporträts nie gefühlsduselig. Regie und Drehbuch üben sich immer wieder in Zurückhaltung. Sturm und Ruzicka zeigen viel, indem sie weglassen.

Erinnerungen an „Bandits“

Die Musik ist das Leitmotiv, und angesichts der Besetzung mit Riemann und Krebitz kommen unweigerlich Erinnerungen an „Bandits“ aus dem Jahr 1997 hoch: In dem Film von Katja von Garnier („Abgeschminkt!“) gründen vier Frauen eine Gefängnisband und nutzen den Weg zu einem Konzert zur Flucht. Katja Riemann sitzt diesmal nicht am Schlagzeug, sondern spielt Gitarre, das macht sie ordentlich; wirklich gut ist die Stimme von Nicolette Krebitz, die auch als Sängerin ein starkes Charisma hat. Ihre blasse, nach innen gekehrte Sascha ist die stärkste Figur.

Riemann mit hochgetürmten Dreadlocks gelingt es, ihre Karla von innen heraus und mit Zwischentönen zu spielen, als die burschikos-rotzig Schnippische, die unter der Bevorzugung der angepassten Schwester immer gelitten hat: „Du warst als Kind schon so süß, ich hätte nur kotzen können“. Auch Sophie von Kessel schafft es, die verdeckten Kerben unter Alices Hochglanz-Oberfläche offenzulegen.

Es gibt auch Abgeschmacktes

Aber die tadellose Darstellerleistung übertüncht nicht alle Schwächen. Alices Familiensituation, obwohl gendertechnisch gegen den Strich gebürstet, wirkt wie vom Reißbrett. Sie und ihr fader Mann Hans (Martin Lindow) geben kein glaubwürdiges Paar ab. Abgeschmackt überzeichnet ist auch Karlas Geschichte: Dass der Betrug ihres Ehemanns bei der Zufallsbegegnung beim Frauenarzt auffliegt, hat schon satirische Züge. Sehr lebensnah, groß in der Stille: Nicolette Krebitz’ Sascha, die Angst und innere Stärke zusammenbringt.

Was man von Ben Becker als Clubbesitzer Roy mit Bierwampe und traurigem Blick halten soll, will man gar nicht erkunden. Dass die Liebe dieses Roy zu Sascha nie gestorben ist und die beiden wieder ein Paar werden, diesen Griff in die Herz-Schmerz-Kiste hätten sich die Filmemacher verkneifen sollen. Am Schluss hat es für feine Pinselstriche nicht mehr gereicht. Dafür entschädigt der Revival-Auftritt der ChiX bei einer Talentshow, bei dem der im Film wiederholt angetippte Song, geschrieben von Jan Lehmann, in voller Länge gespielt wird. Hübsches Lied.