Sie finden Sitcoms wie „King of Queens“ und „Kevin can wait“ lustig? Dann haben Sie „Kevin can f**k himself“ noch nicht gesehen! Die Serie, die jetzt bei Amazon Prime gestartet ist, rechnet nämlich wunderbar böse mit sexistischen Sitcom-Klischees ab.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Allison lebt als Gefangene in einer Sitcom-Hölle. Sie muss die treudoofe Ehefrau spielen, die im Hintergrund durchs Bild läuft, fürs Kochen, Putzen und Wäschewaschen zuständig ist, ihrem dumpf-kindlichen Ehemann liebevoll das Frühstück zubereitet, ihm und seinen Bier-Pong spielenden Kumpeln Snacks serviert, nett lächelnd ihre zotigen Gags, Dreistigkeiten und Demütigungen erträgt. Und wenn sie doch mal aufmuckt, bekommt sie zu hören: „Schatz, versucht du etwa wieder witzig zu sein?“ Aus dem Off wird sie dann von Hunderten vom Band eingespielten Lachern verhöhnt.

 

Die Ehefrau als Witznummer

Erfolgssitcoms wie „King of Queens“, „Kevin can wait“, „Still standing“ oder „Immer wieder Jim“ haben gemeinsam, dass sie einen mit solchen eingespielten Lachern drangsalieren. Dass sie erzkonservative Beziehungs- und Gesellschaftsmodelle bestätigen. Dass sie dickliche, dümmliche weiße Männer zu ihren Helden machen (die gerne von Typen wie Kevin James gespielt werden), die rüde und ignorant sein dürfen und sich nur für Fernsehen, Fast Food und Football interessieren. Und diese Sitcoms behaupten, dass schlaue und attraktive Frauen solche Typen lieben und ihre Lebensaufgabe darin sehen, all den Kevins, Doughs, Bills und Jims Stichworte für deren Gags zu liefern.

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Doch damit macht die Serie „Kevin can f**k himself“ Schluss, die von diesem Freitag an bei Amazon Prime zu sehen ist. Allison (Annie Murphy aus „Schitt’s Creek“) will nicht mehr die Witznummer an der Seite ihres Kevins (Eric Petersen) sein. Sie nimmt es nicht mehr hin, dass sich ihr Leben seit zehn Jahren in einer Endlosschleife voller Kalauer und Jungsfantasien vor sich hin schlängelt und nie vorankommt. Sie verzeiht Kevin nicht, dass er alles Ersparte für irgendwelche dubiosen Sportfanartikel ausgegeben hat. Sie will endlich „Fuck!“ sagen dürfen. Sie beschließt Kevin umzubringen.

„Big Bang Theorie“ trifft auf „The Wire“

„Kevin can f**k himself“ ist eine bitterböse Abrechnung mit Sitcom-Klischees, ein schwarzhumoriges Drama und ein virtuoses, ästhetisches Experiment: Jedes Mal, wenn Allison aus Kevins Wohnzimmer flieht, lässt sie die kunterbunte Multikamera-Studiokulissenoptik hinter sich und betritt eine Welt, die wie das wirkliche Leben aussieht und in der das Gelächter endlich verstummt: Sitcom und Drama prallen aufeinander. Die Serie anzuschauen ist so, wie zwischen „The Big Bang Theorie“ und „The Wire“ hin und her zu zappen. Da Couch-Potato Kevin, der mit seinen Schoten hysterische Lachanfälle vom Band auslöst, dort Allison, die sich in einem Hinterhof mit Kokain zugedröhnt mit einem Dealer verbündet.

Natürlich sind nicht alle Sitcoms so reaktionär, wie „Kevin can f**k himself“ behauptet. Doch diese grell-gemeine Satire öffnet durch ihre Lust an der Überzeichnung die Augen. Über „King of Queens“ oder „Kevin can wait“ zu lachen fällt einem hinterher jedenfalls ziemlich schwer.

Kevin can f**k himself. Alle acht Episoden der düsteren Comedyserie sind von Freitag, 27. August, an bei Amazon Prime verfügbar.