TV-Serie: „They were ten“ Palmen, Strand und Mord

Wirkt wie Dschungelcamp extrem: Zehn einander fremde Menschen treffen auf einer Insel aufeinander. Kein Weg führt weg, aber Leichen fallen an. Die französische Serie „They were ten“ bei ZDF neo modernisiert einen Agatha-Christie -Klassiker.
Stuttgart - Nette Späßchen aus Uromas Tagen, aber doch arg verloren im Zeitalter der grausig detailfreudigen Serienmörderkrimis: So hat man die Bücher von Agatha Christie, der einstigen Queen of Crime, eine Weile abgetan.
Doch inzwischen blickt man neu auf sie. Gerade Film- und Serienmacher erkennen, was für ein vergnüglich perfider Geist da in den Formaten von gestern steckt. Und sie machen sich an Adaptionen, die ganz anders aussehen als die Golden-Oldie-Filme mit Margaret Rutherford als Miss Marple. Eines der Ergebnisse dieser Neuentdeckung ist die französische Miniserie „They were ten“, die man in der Mediathek des ZDF abrufen kann.
Luxus ohne Gastgeber
Christes Plotidee wird in die Jetztzeit geholt. Unter lauter guten Vorwänden werden zehn Menschen zum Aufenthalt in einem Luxusresort in einer romantisch verwunschenen Insel vor der Küste Französisch-Guyanas gelockt: als Gäste, als Personal, als Geschäftspartner. Vor Ort aber ist kein Gastgeber respektive Chef anzutreffen. Die Telekommunikation bricht zusammen, die Verbindungswege zur Außenwelt schließen sich. Dann beginnt das Morden.
Christies 1939 erschienener, mehrfach verfilmter Roman wird heute meist bei seinem US-Titel genannt: „And then there were none“. Der britische Originaltitel ließe ja auch hart schlucken: „Ten little Niggers“. Dabei war er damals nicht einmal außerordentlich rassistisch gemeint. Er bezog sich auf einen skrupellos benannten Abzählreim, den lange auch alle deutschen Kinder in etwas abgemilderter Form kannten: „Zehn kleine Negerlein“. Die aktuelle deutsche Übersetzung heißt „Und dann gab’s keines mehr“.
Lauter Schuldige
In sechs Teilen zu je 48 Minuten erzählt die „They were ten“, wie die Gruppe dezimiert wird, wie die Bedrohten anfangs einen äußeren, dann einen inneren Feind vermuten. Ein Geheimnis wird gelüftet: Alle unfreiwilligen Insulaner haben schwere Schuld auf sich geladen. Rückblenden enthüllen ganz allmählich, wie jeder für sich zum Mörder wurde und straffrei blieb. Der Inselkiller scheint sich als Schwert einer höheren Gerechtigkeit zu begreifen.
Palmen und Strand, aber kein Trinkwasser und kaum Nahrung, heimliche Kamerabeobachtung und eine irre Gruppendynamik aus Notgemeinschaftsnähe und Jeder-gegen-jeden-Härte: Zuschauer von heute denken da nicht an einen Abzählreim, sondern an das Dschungelcamp. Das ist eine in der Ästhetik, in der Gruppenmischung, in den Typen und in manchem Dialog sehr bewusst angelegte Assoziation.
Die scharfe Kante
„They were ten“ ist nicht realistisch, eher die moderne Variante von Edgar-Wallace-Trash, Bügelfernsehen für Krimifans also. Aber die Serie hat diese eine scharfe Kante: die Erinnerung daran, dass die Rauswahl- und Rausmob-Camps der Privatsender erstens gnadenlos manipulatives Aggressionsfernsehen sind und zweitens im Subtext noch derbere darwinistische Überlebensmodelle abfeiern. Aber diese Insel, das muss noch mal gesagt werden, ist wirklich so schön, dass man da hinfliegen würde und gar nicht so genau wissen wollte, wie man eigentlich zu der Einladung kam.
Verfügbarkeit: Alle sechs Folgen sind ab Sonntag, 22. November 2020, 10.00 Uhr in der ZDF-Mediathek abrufbar. Am 21. November ab null Uhr laufen alle sechs Folgen hintereinander bei ZDF neo.
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