Trash reloaded: RTL zeigt die Fortsetzung der in den achtziger Jahren sehr beliebten US-Serie „Dallas“. Eine neue Generation kämpft nun die alten Schlachten: Die Söhne von J.R. Ewing und seinem Bruder Bobby.

Stuttgart - J.R. Ewing (Larry Hagman) braucht jetzt einen Rollator. Es ist ein verstörender Anblick. Die Rinderbarone in „Dallas“ haben zu ihrem Ball eingeladen, Bobby Ewing ist schon da, und auch er muss schlucken, als er sieht, wie sich der ältere Bruder an seinem Gestell vorwärts tastet. Ist das wirklich J.R.? Doch, er ist es, der Bösewicht der achtziger Jahre aus der US-Serie „Dallas“, die fiese Versuchung. Er ist jetzt achtzig und dämmert in einem Seniorenstift vor sich hin, und eigentlich hatte sich sein Sohn John Ross (Josh Henderson) schon darauf vorbereitet, ihn zu beerben.

 

Doch dann kommt alles anders. Bobby (gnädig ergraut: Patrick Duffy) erfährt, dass er an Krebs erkrankt ist. Er will seinen Nachlass regeln und die Familienranch Southfork verscherbeln. Sein Sohn Christopher (Jesse Metcalfe) soll den Erlös in alternative Energien investieren.

Doch dann erfährt J.R. von den Plänen und rappelt sich auf. Die Fehde zwischen den Brüdern entbrennt erneut. Nur sind es jetzt ihre Söhne, die sie austragen. Christopher, gnadenlos gutherzig, und J.R. junior, noch gerissener als sein Vater.

Der Alptraum eines Kapitalisten

2012 hat der amerikanische TV-Sender TNT die Seifenoper um die Ölbarone von der Southfork-Ranch fortgesetzt. Jetzt kehrt „Dallas“ ins deutsche Fernsehen zurück. Von Dienstag an zeigt RTL die erste Staffel des Remakes. Und besorgt fragen sich Dallas-Fans der ersten Stunde: Kann das gut gehen? Schließlich war es der Zeitgeist, der J.R, diesem fleischgewordenen Albtraum eines Kapitalisten, den Weg für seinen Siegeszug geebnet hat. Die achtziger Jahre, das war die Zeit des Börsenfiebers. Eine gnädig verwitterte Oma namens Miss Ellie konnte sich noch in der Illusion wiegen, dass ein Machtwort von ihr ausreichte, damit sich die zerstrittenen Kinder wieder vertrugen: der Bobby und der J.R., der J.R. und die Sue Ellen, die Pam und der J.R.

Die Ewings kamen als Karikatur der „Waltons“ daher, jener furchtbar frommen Vorzeigefamilie aus dem Amerika der dreißiger Jahren. Hier hatte der Patriarch noch die Hosen an, hier spurten die Kinder. Sogar das Licht löschten sie abends immer synchron. Dagegen demonstrierten die Ewings, dass Milliarden alleine auch nicht glücklich machen. Intrigen, Verrat, Seitensprung, Alkoholismus, Gewalt in der Ehe, Adoption, Inzest. Diese Probleme platzten mit voller Wucht in ihre Plastik-Welt. Dass es neureiche Parvenüs traf, erfüllte die Zuschauer auch hierzulande mit stiller Genugtuung. Dienstag war Dallas-Tag.

Der Cliffhanger machte süchtig

Die Serie lief ab 1981 in der ARD. Sie erreichte Marktanteile von bis zu actzig Prozent. Es gab noch kein Privatfernsehen. Der Zuschauer hungerte nach Trash. Dallas bot ihm davon im Überfluss. Eine Sue Ellen (Linda Gray), die ihren Kummer morgens schon im Bourbon ersäufte. Oder eine Geliebte von J.R., die vor Eifersucht schon mal zur Pistole griff. Alles eine Spur too much.

Ein Cliffhanger am Ende jeder Episode ließ den Zuschauern gar keine andere Wahl. Der Trash übertünchte so manche dramaturgische Schwächen. Zum Beispiel die, als Bobby 1986 plötzlich wieder unter der Dusche stand, obwohl er ein Jahr zuvor den Serientod gestorben war.

Die Erklärung für seine wundersame Wiederauferstehung war abwegig. Es hieß, Bobby sei gar nicht tot gewesen, der Zuschauer habe die komplette Handlung der vergangenen Staffel bloß geträumt. Noch tiefer als in die Trickkiste sollen die Produzenten ins Portemonnaie gegriffen haben, um Darsteller Patrick Duffy davon zu überzeugen, dass nur sein Comeback die sinkende Quote wieder beflügeln könne. Sogar der Star-Regisseur Ingmar Bergman, ein Meister des schnörkellosen Storytellings, nahm so eine abstruse Ausrede hin. Unlogisch fand er zwar die Handlung, die Kameraführung grauenhaft und die Darsteller unglaublich schlecht. Trotzdem befand er: „Dallas ist irre faszinierend.“

Das selbe Muster funktioniert noch immer

Das lag auch an der Typologie der Figuren. Das Repertoire reichte vom Schwarzen Schaf J.R. bis zur grundgütigen Miss Ellie. Wer wollte, konnte in dem Clan Mitglieder seiner eigenen Familie wiederfinden.

„Dallas reloaded“ funktioniert nach demselben Muster. Was vielleicht erklärt, warum sich die Serie auch heute in den USA behauptet, inmitten der Depression. Der Kampf um die Southfork-Ranch geht weiter. Christopher und John Ross, die Söhne der verfeindeten Brüder J.R. und Bobby, setzen ihn fort. Gut gegen Böse, Umweltschutz gegen Kapitalismus, Gewissen gegen Gier.

Christopher und John Ross? Aus dem verzärtelten Adoptivsohn von Bobby und Pam (Victoria Principal) und dem verwöhnten Stammhalter von J.R. und Sue Ellen sind hübsche Kerle geworden. Man kennt ihre Gesichter schon aus der TV-Serie „Desperate Housewives“. Der Darsteller von Christopher, das ist der Gärtner, den einst Gabrielle (Eva Longoria) hinter der Ligusterhecke vernaschte.

Zwei Brüder lieben eine Frau

Er und John Ross lieben dieselbe Frau, Elena Ramos (Jordana Brewster), das sorgt für erotische Spannung. Knisterte es im Original nur, wenn Jock und Miss Ellie auf der Hollywoodschaukel Händchen hielten, kann die neue Generation mit Sex -Appeal punkten. In den USA war das Remake einer der erfolgreichsten Serienstarts des Jahres.

Es entbehrte nicht der Tragik, dass ausgerechnet der Liebling der Serie, J.R., während der Dreharbeiten für die zweite Staffel an den Folgen eines Krebsleidens starb.