Heinrich Breloer hat das Leben von Bertolt Brecht verfilmt. Der TV-Zweiteiler „Brecht“ ist spannend geraten: Tom Schilling und Burghart Klaußner spielen den jungen und den alten Dramatiker.

Stuttgart - Er hat’s erfunden: Gemeinsam mit seinem verstorbenen Partner Horst Königstein wird Heinrich Breloer hierzulande als Vater des dokumentarischen Spielfilms verehrt. Außerdem steht er wie kein anderer Autor und Regisseur für die deutsche Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts. Seine Dokudramen über die Barschel-Affäre („Die Staatskanzlei“, 1989) oder die Coop-Affäre („Kollege Otto“, 1991), sein Wehner-Porträt (1993) oder das RAF-Drama „Todesspiel“ (1997) sind vielfach ausgezeichnet worden. Größtes Werk des vielfachen Grimme-Preisträger war der dreiteilige Fernsehfilm „Die Manns“ (2001), dessen Titelzusatz „Ein Jahrhundertroman“ auf den Punkt brachte, wie sehr sich Breloer als Chronist betrachtet.

 

Der junge und der alte Brecht

Auch „Brecht“ erzählt die Geschichte des einflussreichsten deutschen Dramatikers des 20. Jahrhunderts wie gewohnt als Mischung aus Spielszenen, dokumentarischen Aufnahmen sowie Interviews mit Zeitzeugen. Wie stets bei Breloer erzeugen die eine reizvolle Wechselwirkung mit den Darstellungen. Ein gelegentlicher Kommentar sorgt für Hintergrundinformationen, Tagebucheintragungen erläutern die Motive der handelnden Personen.

Breloers Drehbuch konzentriert sich auf zwei Zeitebenen: hier der junge Brecht (1916 bis 1933), verkörpert von Tom Schilling, der während des Ersten Weltkriegs durch die beißende Kritik an der Begeisterung seiner Altersgenossen für den Heldentod sein Abitur riskiert; dort der prominente Dramatiker (1947 bis 1956; Burghart Klaußner), der nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Exil zurückkehrt und in Ostberlin als Staatsdichter der DDR mitwirken will, die Diktatur des Proletariats zu verwirklichen; zur Not auch gegen den Willen des Proletariats.

Liebeleien und Dramen

In Teil eins spielen sich die Zeitläufte eher im Hintergrund ab, weil Breloer viel Zeit auf die Liebschaften des Dichters verwendet (gespielt von Mala Emde und Friederike Becht), auf Begegnungen, die stets zu Kindern führten. Das ist zwar durchaus kurzweilig, selbst wenn es kein gutes Licht auf den Helden wirft. Aber ungleich reizvoller sind die 180 Minuten, in denen der Film Brecht bei der Arbeit, sprich: bei den Proben jener Inszenierungen zeigt, die seinen Weltrum begründet haben.

Eigentliches Herzstück des ersten Teils ist nicht die romantische Ebene mit ihren einander überlappenden Beziehungen, sondern die Entwicklung der „Dreigroschenoper“, weshalb sich ein Vergleich zu „Mackie Messer“ geradezu aufdrängt. Joachim A. Langs Musical-Drama war 2018 der ebenso kühne wie fulminante Versuch, das Werk als großen Film im Film zu inszenieren.

Während Lars Eidinger den Dramatiker bei Lang als überlebensgroße Figur verkörpert, ist Breloers Brecht dank der Besetzung mit dem schmächtigen Schilling fast fragil, zumal der Schauspieler auch mit Mitte dreißig noch sehr jugendlich wirkt. Da er selbst Musiker ist, kann er den jungen Dramatiker authentisch als eine Art Liedermacher verkörpern, was seinen Erfolg bei Frauen zusätzlich erklärt.

Schlagfertigkeit und Witz

Bei Burghart Klaußner verhält es sich genau andersrum: Er ist mit Ende sechzig eigentlich deutlich zu alt für die Rolle; nun sind es Schlagfertigkeit und Witz, die ihm die Herzen der (nach wie vor jungen) Frauen zufliegen lassen. Weil Klaußner jedoch nie hinter der Figur verschwindet, ist der alte Brecht viel stärker vom Darsteller geprägt als der junge. Andererseits verleiht er dem Dramatiker die nötige Reife.

Das gilt ohnehin für den gesamten Film. Breloer (77) und sein von ihm als „Altmeister des Lichts“ gewürdigter Kameramann Gernot Roll (79) sind längst in einem Alter, in dem andere ihre Preise zählen. Ihr gemeinsames Spätwerk ist daher auch eine Art Film gewordener Widerstand gegen die zunehmende Flüchtigkeit des Fernsehens. Dafür steht nicht zuletzt die große Kinomusik von Hans Peter Ströer, Breloers Hauskomponist seit drei Jahrzehnten.

Vorzüglich besetzt

Welchen Stellenwert „Brecht“ für den Autor und Regisseur hat, zeigt sich nicht zuletzt am langen Anlauf: Im Grunde hat er schon vor vierzig Jahren, als er eine Dokumentation über den Dramatiker und seine Jugendliebe gedreht hat („Bi und Bidi in Augsburg“, 1978), mit den Vorbereitungen begonnen. Seither hat er immer wieder Interviews mit Weggefährten und Nachkommen Brechts geführt. Deren Erzählungen seien eine gute Grundlage gewesen, „sich dem Denkmal von Brecht zu nähern und den Klassiker vom Podest herunter zu bitten“, wie Breloer sagt, um ihm also als lebendigem Menschen begegnen zu können.

Die Besetzung ist vorzüglich, aber mit Adele Neuhäuser hat Breloer nicht nur schauspielerisch einen Volltreffer gelandet. Wie sie Helene Weigel, Brechts Ehefrau, Hauptdarstellerin, Intendantin und Hüterin seines Nachlasses, getroffen hat, ist verblüffend.

Ausstrahlung: Arte,
22. März 2019, 20.15 Uhr. Im Anschluss zeigt Arte um 23.20 Uhr Breloers Dokumentation „Brecht und das Berliner Ensemble“. Im Ersten läuft das Themenpaket am 27. März ab 20.15 Uhr.