Der Islamische Staat hat versucht, die Volksgruppe der Jesiden auszulöschen. Viele Frauen wurden verschleppt und zur Ware erniedrigt. Der in der ARD laufende Dokumentarfilm „Sklavinnen des IS“ lässt Gerettete zu Wort kommen, die in Baden-Württemberg Zuflucht fanden.

Stuttgart - Furchtbar das alles, wichtiger Film bestimmt, aber da kann ich gar nicht hinschauen. So werden nicht wenige Menschen denken, sobald sie auch nur den Titel des Dokumentarfilms „Sklavinnen des IS“ lesen, den das Erste am 18. Juli um 22.45 Uhr ausstrahlen wird. Und natürlich kann es jetzt kein lockendes, neugierig machendes „von wegen“ geben, kein Versprechen, alles sei nur halb so schlimm. Der Islamische Staat hat bei seinem Sturm auf Syrien und den Irak auch versucht, die Volks- und Religionsgruppe der Jesiden auszurotten. Die Männer wurden ermordet, die Frauen verschleppt, vergewaltigt, als Beute auf einem florierenden Sklavenmarkt des 21. Jahrhunderts verkauft.

 

Das alles, das Abschlachten der Männer wie das Quälen der Frauen, haben die Krieger des Wahnsinns auch noch stolz auf Video dokumentiert und als Einschüchterungsmittel um die Welt geschickt. Die Briten Philippe Sands und David Evans fassen diesen Schrecken noch einmal zusammen, und sie lassen zwei junge Frauen, Dalal und Lewina, zu Wort kommen, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben und nun die unglaubliche Kraft aufbringen, vor der Kamera zu erzählen, was ihnen, ihren Familien, Freunden und Nachbarn geschehen ist.

Beitrag zur Asyldebatte

Ein schlichter Satz, den man dem verständlichen Impuls zum Wegschauen entgegenhalten kann, lautet: Wir sind es diesen Menschen einfach schuldig, uns ihre Geschichte anzuhören. Wenn wir wegschauen, arbeiten wir auf andere Art mit am Projekt der Mörder, die Jesiden verschwinden zu lassen. Aber es gibt auch andere Gründe, „Sklavinnen des IS“ anzuschauen, gerade in Baden-Württemberg, jenem Bundesland, das sich zur Sofortaufnahme von traumatisierten Frauen bereit erklärte, die aus dem Machtbereich des IS entkommen konnten. Der Film wirkt hinein in die deutsche Asyldebatte, in der mit ungeheuerlichen Pauschalisierungen wie der vom Asyltourismus operiert wird und in der auch ehemals Hilfsbereite allmählich von einem Gefühl der Vergeblichkeit und des Ungenügens ergriffen werden. Sands und Evans zeigen noch einmal, dass sich handeln lässt und dass Hilfe nicht ins Leere läuft.

Zugleich nimmt „Sklavinnen des IS“ aber eine höchst kritische Perspektive ein. Es geht zentral auch um das, was fehlt: die gerichtliche Aufarbeitung der Verbrechen. Der deutsch-jesidische Traumatologe Jan Kizilhan, der für das baden-württembergische Rettungsprogramm maßgeblich mitverantwortlich ist, macht hier sehr klar, dass Gerechtigkeit und Heilung zusammengehören. Selbst der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag aber tut sich schwer mit dem Islamischen Staat und seinen Gräueln. Dieser Film klopft das nicht auf pragmatische Argumente der Diplomatie, der Staatsräson, der Ressourcenschonung hin ab, er zeigt, was das für die Jesidinnen bedeutet. Sie bekommen das Gefühl, die Welt wolle von ihrem Leid nichts mehr hören und die Mörder hätte das obszöne Etappenziel des „Schwamm drüber“ erreicht. Womit wir wieder bei dem Punkt wären, dass man sich vor dem Anschauen dieses Films bitte nicht drücken sollte.

Ausstrahlung: ARD, Mittwoch, 18. Juli 2018, 22.45 Uhr, danach in der Mediathek