Am Ostersonntag zeigt das ZDF die schöne Komödie „Victoria & Abdul“ von Stephen Frears: Die britische Queen von einst schockiert hier Hofstaat und Rassisten.

Stuttgart - Steigt man morgens fröhlicher aus den Federn, wenn man weiß, dass man ein Weltreich zu regieren hat? Offenbar nicht, wenn man der geistreich bösen Komödie „Victoria & Abdul“ glauben darf. Die von Judi Dench gespielte Queen Victoria liegt hier anfangs – wir schreiben das Jahr 1887 – mehr tot als lebendig im Bett. Von ihren Bedienten wird sie in einer Zeremonie hochgehievt, frisiert und angekleidet, die mehr Ähnlichkeit mit einer Leichenwäsche als mit einem Start in den Tag hat.

 

Die kurzen Häppchen dieser vom Lebensüberdruss der Monarchin geprägten Prozedur wechseln sich ab mit Bildern eines anderen Geschehens. Im fernen Indien, einem Riesenland, das Victoria regiert, von dem sie aber kaum mehr als den Namen kennt, wird gerade ein kleiner Gefängnisschreiber für eine wichtige Mission ausgewählt: Victoria soll eine Gedenkmünze überreicht werden, und Abdul Karim (Ali Fazal) hat die rechte Statur dafür. Der schmucke, hochgewachsene Kerl soll nur Lebenddekoration sein, zum akkuraten Zeitpunkt ein Tablett mit der Münze hinhalten, dabei ja nicht die Queen ansehen, und sich nach ein paar Sekunden rückwärts trippelnd, stets zu Boden blickend, aus dem Festsaal wieder verkrümeln.

Der Lehrer und die Neider

Die ganze Überfahrt übers Meer wird nun mit hineingepackt in die Zeit, die Victoria zum Aufstehen braucht. Das ist nicht der einzige schöne Kniff, mit dem der Regisseur Stephen Frears („Gefährliche Liebschaften“, „The Queen“) uns zeigt, wie zäh die Zeit in den Palästen und Landhäusern der am längsten regierenden Herrscherin der Geschichte dahinfließt.

Aber dann kommt eben alles ganz anders. Abdul erhebt den Blick, Victoria nimmt – endlich mal – etwas Ungewöhnliches wahr, eine Tür zum Fremden, aber auch einfach einen schönen Mann. Die so betagte wie resolute Queen macht Abdul zunächst zu ihrem Diener, dann zu ihrem Lehrer, der ihr Indien verständlich machen soll. Ringsum kommt sehr richtig an, dass Abdul in eine Vertrauensstellung gerückt ist, die keiner der Neider je zu erreichen gehofft hätte, angefangen oben beim Sohn Bertie, der auf den Thron giert, und dann die Leiter der Leibärzte, Hofmarschälle, Kammerdiener, Oberzofen, Puddingrührer und Fransenbürster hinab.

Hofschranzen und Blaublüter

So schlagen die fein ziselierten Rituale des Gehorsams und der Unterwürfigkeit um in Dauermurren, pikiertes Intrigantentum und schwelende Rebellion. Frears schafft es, basierend auf realen Ereignissen, zugleich eine wunderliche Romanze zu erzählen, den Royals-Kult zu demontieren, eine Geschichtslektion über Kolonialismus und Dünkel zu liefern, Rassismus zu verspotten, kulturelle Offenheit zu loben – und doch nicht allzu blauäugig gegenüber dem Fremden zu werden.

„Victoria & Abdul“ ist elegant fotografiert, flott geschrieben und mitreißend gespielt – nicht nur von Judi Dench und Ali Fazal. Die diversen Grimassen der Hofschranzen und Blaublüter, der hochnäsigen Lakaien und erschütterten Autoritäten formen eine Galerie der verkorksten Gemüter, die immer wieder laut auflachen lässt: ein ganz großes Ostervergnügen.

Ausstrahlung: ZDF, Ostersonntag, 12. April 2020, 14.50 Uhr