„Meister des Todes 2“im Ersten arbeitet mit den Mitteln der Fiktion den Prozess gegen die Rüstungsfirma Heckler & Koch vor dem Stuttgarter Landgericht auf. Es geht um die illegale Lieferung von Gewehren nach Mexiko.

Stuttgart - Deutschland ist eine Exportnation, auch für Rüstungsgüter. Weil die dort am begehrtesten sind, wo sie tatsächlich zum Einsatz kommen, lässt die Bundesrepublik der Industrie keine freie Hand. Ihre Produkte dürfen nicht überallhin geliefert werden. Aktuell formuliert die Bundesregierung ihren Standpunkt so: „Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen.“ Klingt eigentlich beruhigend.

 

Doppelbödige Regeln

Der Fernsehfilm „Meister des Todes 2“, Hauptstück eines ARD-Themenabends zum Waffenhandel, will alles andere als beruhigen. Er pendelt zwischen Mexiko, wo die Waffen eines schwäbischen Herstellers bei Massakern der Polizei an regierungskritischen Studenten zum Einsatz kommen, und dem Landgericht Stuttgart. Hier sitzen die Vertreter der deutlich als Heckler & Koch (H&K) erkennbaren Firma HSW auf der Anklagebank. Wie H&K sieht sich HSW dem Vorwurf ausgesetzt, illegalerweise Waffen in ein Krisengebiet geliefert zu haben.

Ja, muss der Geschäftsführer Heinz Zöblin (Axel Milberg) vor Gericht zugeben, die Gewehre seiner Firma seien wohl in Gegenden im Einsatz, die als Liefergebiet ausgeschlossen seien. Aber geliefert habe man auch nicht in die betreffenden Bundesstaaten Mexikos, sondern in benachbarte, die als Zielregionen freigegeben waren. Wohin legal gelieferte Waffen letztlich verschoben würden, könne eine kleine Firma unmöglich nachprüfen, schließlich gelinge so eine Kontrolle strategischer und geschäftlicher Partner nicht einmal der Bundesregierung. Was aufs erste Hören wie eine windige Ausflucht klingt, ist wohl eher die doppelbödige Grundlage der Exportpolitik. Man definiert Ziele, Absichten und Regeln, wohl wissend, dass die Einhaltung der Regeln nicht erzwingbar ist.

Moralisches Dilemma

Die Drehbuchautoren Daniel Harrich („Der blinde Fleck“) und Gert Heidenreich haben sich die Scheinheiligkeit, mit der vor Gericht auf das Komplizentum der Politik hingewiesen wird, nicht ausgedacht. 2015 haben sie den mit einem Grimme-Preis belohnten Fernsehfilm „Meister des Todes“ vorgelegt, der in der hauchdünnen Verkleidung bloßer Namensverfemdung erzählte, wie Heckler & Koch es schaffte, Waffen nach Mexiko zu liefern. In der ARD-Mediathek kann man diesen ersten Teil noch ansehen. Nun erzählen Harrich, der auch Regie führte, und Heidenreich vom Prozess gegen einige Führungskräfte von Heckler & Koch.

Die Besetzung ist wieder prominent, Désirée Nosbusch spielt die Richterin, neben Milberg treten Heiner Lauterbach und Udo Wachtveitl als HSW-Funktionäre an, auch Veronica Ferres ist wieder als Gattin eines Managers dabei. Diese Figur ist ungleich bedeutender als im ersten Teil. Auf ihr lastet viel dramaturgischer Anspruch. Sie soll jenseits der Faktenvermittlung das moralische Dilemma von Politik und Gesellschaft verkörpern.

Grauen und Loyalität

So wie diese Sabine Stengele ihrem Mann gegenüber loyal sein möchte, so fühlen sich Politik und Gesellschaft der Rüstungsindustrie verpflichtet, wegen ihrer Arbeitsplätze, wegen politischer Einflussmöglichkeiten und der ansatzweisen nationalen Selbstständigkeit im heiklen Bereich der Wehrhaftigkeit. Und so wie Sabine Stengele mehr über das Grauen erfährt, das die Waffen über Unschuldige bringen, kann auch die Gesellschaft ihre Augen nicht vor der Nutzung der Rüstungsgüter verschließen.

Ferres muss mehr als diesen Zwiespalt vermitteln. In einem aufklärungseifrigen Film werden Figuren schnell zu Sprechpuppen von Informationsbündeln und Haltungen. Für Charakterfeinschmeckerei bleibt wenig Platz, und dieses Defizit soll Stengele mit einem tragisch-emotionalen Overkill ausgleichen: eine Trinkerin, die beim einfachen Weg von A nach B Höhenflüge und Abstürze erleben kann. Als ihr Mann stirbt, lässt Ferres Sabine in einem Kummer jenseits von Sprache und Gedanken losheulen – ein durchaus eindrucksvoller Moment.

Fehl am Platz

Was er überdecken soll, ist unter anderem die aseptische Synchronisation der Szenen aus Mexiko. Alle sprechen jenes hörgerätoptimierte Hochdeutsch, das sich viele Zuschauer von jedem Fernsehkrimi wünschen, das aber diesmal ganz fehl am Platz ist. Den Figuren wird mit der Sprache ihre Individualität genommen, sie werden zu Platzhaltern: „Denken Sie sich hier ein Opfer.“

Wer das Thema lieber ohne Spielszenen behandelt sehen möchte, muss übrigens nur bis 21.45 Uhr warten. Dann läuft im Ersten die Reportage, die Daniel Harrich aus seinen Recherchen zum Film gemacht hat: „Tödliche Exporte: Rüstungsmanager vor Gericht“.

Ausstrahlung: ARD, Mittwoch, 1. April 2020