Neben der Autobahn entsteht auf der Filderebene derzeit die Brücke, über die von Ende 2021 an die gelben Wagen der Stadtbahnlinie U 6 bis zur Messe und zum Flughafen fahren. Zu Besuch auf einer spektakulären Baustelle.

Filder - Entlang der B 27 Richtung Stuttgart stehen schon die Pfosten, zwischen die später die Stromleitungen für die Straßenbahn gespannt werden. Auch die Gleise sind an dieser Stelle bereits fertig. In Richtung Messe führen die aber zurzeit ins Nichts – mitten auf einem Feld ist plötzlich Ende Gelände. In Richtung Fasanenhof hingegen führen die Gleise zu der vielleicht spektakulärsten Baustelle, die es zurzeit auf den Fildern gibt und die sowohl von der B 27 als auch von der A 8 gut sichtbar ist.

 

Auf einen Teil der Holzdielen scheint schon länger die Sonne – der Rest ist noch immer frostig weiß und rutschig. Der kalte Wind ist deutlicher zu spüren als acht Meter tiefer auf dem Boden. Ein Arbeiter trägt eine Mütze unter seinem Helm, ein anderer dagegen nicht einmal Handschuhe. Es gab auch schon kältere Tage auf der halb fertigen Brücke, über die in etwa zwei Jahren die Stadtbahnlinie U 6 fahren wird. „Es ist toll, dass jetzt real wird, was man sich jahrelang auf Plänen angeschaut hat“, sagt Steffen Schäfer, der bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) den Ausbau der Linie zum Flughafen managt.

Tunnelbau war nicht möglich

Zwischen dem Fasanenhof, wo die Linie U 6 bisher endet, und dem Flughafen, wo sie künftig enden soll, liegt die Autobahn. Irgendwie muss die SSB ihre gelben Waggons also über oder unter den ganzen Autos durchbringen. Zu Beginn wollte die Projektgruppe um Steffen Schäfer unten durch. „Die Überlegung, einen Tunnel zu bauen, war schnell K. o. geredet“, sagt Steffen Schäfer. Eine Bauweise hätte die Fahrdynamik am ohnehin schon staugeplagten Echterdinger Ei beeinträchtigt, für die andere gab es nicht genug Platz unter der Autobahn. „Also haben wir uns für eine Brücke entschieden.“ Und zwar für eine Netzwerkbogenbrücke, die im kommenden Jahr auf Höhe des Fasanenhofs über die A 8 geschoben wird. Die Vorbereitungen laufen schon seit einigen Monaten – für jeden sichtbar direkt neben der Autobahn.

Auf einem Labyrinth aus meterhohen Gerüsten werkeln die Bauarbeiter zurzeit am Mittelteil der insgesamt etwa 120 Meter langen Brücke. „Damit sparen wir uns später einen Arbeitsschritt, wenn wir die Brücke über die Autobahn schieben“, sagt Schäfer. Denn wenn sie nicht auf dem Boden bauen, muss die 1500 Tonnen schwere Brücke später nicht angehoben werden. Oben kann man bisher schwerlich erkennen, dass das mal eine Fahrbahn werden soll. Unzählige Stahlbögen, die aussehen wie riesige Büroklammern hängen kreuz und quer über dem gesamten Untergrund. 600 Unikate wurden für die Brücke angefertigt – jedes Teil hat seinen eigenen Platz. Diese Büroklammern werden später von Beton umgeben sein.

Im Frühsommer fährt die Brücke über die Autobahn

Ganz frei war die SSB in ihrer Entscheidung, was für eine Art von Brücke sie bauen will, nicht. Das Regierungspräsidium, dem die A8 gehört, wollte eine Konstruktion ohne Pfosten. „Bei Unfällen stellen solche Pfeiler eine zusätzliche Gefahr dar und man müsste die Brücke öfter warten und dafür Tagesbaustellen einrichten“, erklärt Steffen Schäfer. Die Netzwerkbogenbrücke kommt zwar ohne Pfosten aus, bringt aber einen aufwendigen Arbeitsschritt mit sich: Der Umzug vom Feld neben der Autobahn über die Fahrbahn.

Das läuft so ab: In den Boden links und rechts der Autobahn sind bereits zahlreiche Bohrpfähle und Zuganker montiert worden, die die Brücke später stützen und spannen. Sobald das 80 Meter lange Mittelteil fertig gebaut ist, wird die Autobahn für ein Wochenende gesperrt, und die Brücke auf der Höhe, auf der sie nun gebaut wird, auf riesigen rollfeldartigen Platten über die Fahrbahn gefahren. Dort steht sie auf Hilfsstützen, bis auf beiden Seiten die Verankerungen angebracht sind. Komplett fertig soll die Brücke etwa in einem Jahr sein, über die Autobahn wird sie voraussichtlich im Mai oder Juni geschoben.

Brücke ist entscheidend für Gesamtzeitplan des Projekts

Das Besondere an der Brücke werden die sogenannten Netzwerkhänger sein, also die Bauteile, die zwischen dem großen Bogen und der Fahrbahn netzartig gespannt sind. Die bestehen nämlich nicht aus Stahl, sondern aus Carbon. Das leichtere, windungsarme Material wird laut SSB zum ersten Mal für eine solche Konstruktion verwendet. Es ermöglicht die schlanke Bauweise der Brücke und spart Gewicht. Außerdem ist Carbon langlebiger als Stahl und weniger temperaturempfindlich. „Das könnte ein Wegweiser für die Baukultur sein“, sagt Schäfer.

Bisher ist die SSB mit den Arbeiten an der Verlängerung der Stadtbahnlinie im Zeitplan. Maßgeblich für das Einhalten dieses Plans ist die Brücke. „Es ist das letzte Bauwerk der Gesamtstrecke“, sagt Schäfer, „wenn die Brücke fertig ist, kann es aufs Ende zugehen.“ Dann werden dort, über der Autobahn, die letzten Gleise verlegt, bevor in etwa zwei Jahren die U 6 von Gerlingen über den Fasanenhof bis zum Flughafen fährt.