Die Fluten von vergangener Woche sind nur ein paar von vielen Umweltkatastrophen derzeit, und neue Unwetter drohen in den betroffenen Gebieten bereits. Können wir als einzelne überhaupt in Sachen Umwelt noch etwas bewirken?

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Stuttgart - Vor dem Fenster neben meinem Schreibtisch spielt sich gerade so etwas wie ein normaler Sommer ab: Die Sonne leuchtet die Baumwipfel an, Menschen bevölkern wieder die Balkone und Terrassen und bei den Gartenhütten am Hang gegenüber wird bestimmt noch ein Grill angeheizt, bevor ich mit den Zeilen dieser Kolumne fertig bin.

 

Aber während es sich hier nach Normalität anfühlt, ist anderswo immer noch der Ausnahmezustand. Während die Menschen in Erftstadt oder in Schuld nach den verheerenden Regenfällen der vergangenen Woche die Trümmer beseitigen und um viel zu viele Tote trauern, stehen etwa Teile des Berchtesgadener Lands noch unter Wasser. Neue Unwetter bedrohen dazu die betroffenen Flutgebiete. Und was man gerade gerne vergisst: Zur gleichen Zeit lodern in der russischen Region Jakutien 190 Waldbrände auf einer Gesamtfläche so groß wie Schleswig-Holstein, im US-Bundesstaat Oregon brennt eine Fläche acht Mal so groß wie das gesamte Stadtgebiet Stuttgarts. Auch in Europa brennen immer wieder Wälder, zuletzt etwa in Griechenland und Spanien, oder ein Tornado verwüstet mehrere Dörfer, wie vor Kurzem in Tschechien.

Solche extremen Wetterereignisse gab es auch in der Vergangenheit und sie können kaum konkret mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden, wie Expert:innen gerade immer wieder betonen. Anders ist es mit der Häufigkeit dieser Wetterereignisse: Diese nimmt zu, und daraus ergibt sich ein Bild über den Zustand des Klimas, und der ist nicht besonders gut. Auch da sind sich Expert:innen einig.

Was du machst, ist immer noch wichtig

Aber ich will an dieser Stelle keine apokalyptischen Gedanken verbreiten, sondern verstehen, wie verschiedene Dinge zusammenhängen und was wir tun können. Deswegen habe ich mit Werner Ludwig aus unserer Wissenschafts-Redaktion gesprochen.

Auf der einen Seite wird die Erde immer wärmer, an manchen Stellen aber auch immer nässer. Wie hängt das zusammen?

Werner Ludwig: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Grob gesagt kann die Atmosphäre bei einer Temperaturerhöhung von einem Grad – so viel haben wir etwa seit Beginn der Industrialisierung – sieben Prozent mehr Luftfeuchte aufnehmen. Dieser Wasserdampf fällt in Form von Niederschlägen wieder auf die Erde, wenn warme und feuchte Luft auf kältere Luftmassen trifft. Das Ganze ist ein Kreislauf, der durch die höheren Temperaturen im Zuge der Erderwärmung zusätzlichen Schwung erhält.

Der Klimawandel führt zudem zu einer Abschwächung der Jetstream-Höhenwinde. Dadurch bleiben gefährliche Wetterkonstellationen länger an Ort und Stelle hängen, wodurch sie noch größere Schäden anrichten können.

Wir diskutieren in der Übermorgen-Kolumne oft, was wir selbst tun können, etwa weniger fliegen oder eine regionale Ernährung mit weniger Fleisch. Aber kann der oder die Einzelne überhaupt noch genug bewirken, sind gerade nicht größere Maßnahmen nötig?

Die individuellen Maßnahmen können durchaus etwas bewirken, wenn viele Menschen dabei mitmachen. Allerdings ist klar, dass die deutschen und europäischen Konsumenten alleine das Blatt nicht wenden können. Der Klimaschutz muss auf internationaler Ebene vorangetrieben werden, was ja mittlerweile auch passiert – zumindest gibt es inzwischen entsprechende Erklärungen. Und neben den Verbrauchern muss natürlich auch die Industrie mitziehen. 

Das Problem ist, dass die heute ausgestoßenen CO2-Mengen sehr lange in der Atmosphäre bleiben, Forschende gehen von rund 100 Jahren aus. Das ebenfalls starke Klimagas Methan – es trägt rund ein Sechstel zum Klimawandel bei - hält sich dagegen nur rund zehn Jahre in der Atmosphäre. Das heißt, dass eine Senkung der Methanemissionen schneller auf das Klima durchschlägt. Etliche Fachleute plädieren deshalb für diese Strategie und halten sie für vergleichsweise einfach umsetzbar. Das meiste Methan stammt aus drei Quellen: aus Undichtigkeiten in Öl- und Gasförderanlagen, aus Mülldeponien und aus der Landwirtschaft – hier vor allem aus der Rinderhaltung und dem Nassreisanbau. Aber trotzdem wird man natürlich nicht daran vorbeikommen, auch den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern, weil es mit einem Anteil von rund zwei Drittel mit Abstand das wichtigste Treibhausgas ist.

Was sind deiner Meinung nach die Lehren, die wir aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe ziehen sollten?

Weil wir schon mitten im Klimawandel leben, muss die Infrastruktur an häufigere Starkregenereignisse angepasst werden. Dabei geht es zum Beispiel um Hochwasserrückhaltebecken, Schutzdämme oder leistungsfähige Kanalisationssysteme, die mehr Wasser auf einmal aufnehmen können. Die Ereignisse der letzten Tage haben auch gezeigt, dass bei der rechtzeitigen Warnung der Bevölkerung noch einiges verbessert werden muss. Auch Gebäude müssen künftig so gebaut werden, dass sie zumindest ein leichtes Hochwasser überstehen können. Klar ist aber auch, dass die genannten Anpassungsmaßnahmen ihre Grenzen haben und natürlich auch sehr viel Geld kosten. Und sie sind auch kein Ersatz für wirksame Klimaschutzmaßnahmen. Bleiben die aus, wird es am Ende noch teurer.

Was hat die Hochwasser-Katastrophe mit euch gemacht? Seht ihr nun mehr Handlungsbedarf in Klimafragen als zuvor? Glaubt ihr, dass die Unwetter die Bundestagswahl im Herbst beeinflussen werden? Oder habt ihr von den Krisen genug und schaltet auch mal auf Durchzug? Schreibt es mir gern an florian.gann@stzn.de.

Kommt gut durch die Woche, mit Normalität und hoffentlich ein wenig Sonne!

Florian Gann bemüht sich im Alltag, möglichst nachhaltig zu leben, und kommt doch immer wieder zur Erkenntnis, dass die eigenen Klimaziele noch lange nicht erreicht sind.