Wieder einmal müssen die Mitarbeiter in der Deutschlandzentrale von Alcatel-Lucent in Stuttgart sich nach der Übernahme durch Nokia neu orientieren. Doch der härteste Stellenabbau dürfte hinter dem Unternehmen liegen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Schon die lange Liste an Umbenennungen ist ein Hinweis auf die turbulente Geschichte des 2006 aus der Fusion des französischen Netzwerkausrüsters Alcatel mit dem US-Konkurrenten Lucent hervorgegangenen Unternehmens Alcatel-Lucent. Die Namen der Deutschlandzentrale in Stuttgart zeugen von dieser bewegten Vergangenheit: Vormals Alcatel SEL AG, vormals SEL Alcatel AG, vormals SEL AG, vormals Standard Elektrik Lorenz AG, vormals C. Lorenz AG – so lautet die Namensgalerie des 1880 in Berlin gegründeten Unternehmens, das sich aber von Anfang an mit dem Thema Kommunikationstechnologie beschäftigte, ursprünglich mit der Funk- und Telegrafentechnik. Nun dürfte auch in Stuttgart nach dem für 2016 geplanten Vollzug der Übernahme von Alcatel-Lucent durch Nokia wieder einmal ein neues Firmenlogo fällig werden.

 

Zu den besten Zeiten beschäftigte das Vorgängerunternehmen Standard Elektrik Lorenz AG in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland noch mehr als 40 000 Menschen, davon 12 000 in Stuttgart. Danach ging es bergab. Zwei Jahre nach der Fusion von Alcatel und Lucent waren im Jahr 2008 in Stuttgart noch 4000 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn das von Alcatel-Lucent seit 2013 durchgezogene Sparprogramm Ende 2015 die Ziellinie erreicht, werden in Deutschland noch 1650 Beschäftigte übrig sein, davon in Stuttgart rund 1100. Vom Abbau war hier vor allem die Mobilfunksparte betroffen, die rund die Hälfte ihrer 400 Stellen verlor. Damit sind in der jüngsten Sparrunde in Deutschland weitere rund 360 Arbeitsplätze verloren gegangen. Dies sind aber immerhin weniger als die zu Beginn des Sanierungsprogramms genannten 530 Stellen.

Auch wenn Eigentümerwechsel wie die Übernahme der damaligen SEL AG im Jahr 1987 durch den französischen Konzern Alcatel und 2006 die Verschmelzung zu Alcatel-Lucent jeweils mit massivem Arbeitsplatzabbau einhergingen, ist ein zusätzlicher Kahlschlag in Deutschland und insbesondere in Stuttgart in Folge der Fusion eher unwahrscheinlich.

Geplanter Stellenabbau geht weiter

Es sei davon auszugehen, dass das vor etwa einem Jahr festgeklopfte Programm zum Abbau von Stellen bis Ende 2015 planmäßig weitergehe, sagte eine Sprecherin von Alcatel-Lucent. Darüber hinaus könne man noch keine konkreten Aussagen treffen, wie sich die Fusion nun für die Mitarbeiter in Deutschland und Stuttgart konkret auswirken werde.

Die finnischen Käufer, denen schon vor zwei Jahren Kaufabsichten nachgesagt wurden, haben wohl bewusst abgewartet, bis das schwierige Sanierungsprogramm durchgezogen war, bevor sie nun Alcatel-Lucent übernommen haben. Die Firma hat durch einen harten Sparkurs seine Verluste massiv verringert. Die deutsche Zentrale in Stuttgart, die mehr als doppelt so groß ist wie der zweite verbliebene Standort in Nürnberg, ist auch für den neuen, fusionierten Konzern von Bedeutung, weil hier Produktentwicklung in den Bereichen innovativer Mobilfunktechnologie betrieben wird und in den so genannten Bell Labs auch Grundlagenforschung zu einem ultraschnellen Mobilfunkstandard namens 5G.

Wichtiges Entwicklungszentrum

Die Stuttgarter Entwickler arbeiten unter anderem an Bausteinen, die einen drahtlosen Zugang zum Endverbraucher auf den letzten Metern erleichtern oder überhaupt erst technisch möglich machen. Die so genannte „Small-Cell-Technologie“ erlaubt es mithilfe einer extrem kompakten Mobilfunktechnologie, kleine, autonome Funkzellen zu schaffen. Dort müssen sich nur eine Handvoll Nutzer eine solche Zelle teilen – was die Überlastung der Netze verhindern kann, wie man sie etwa aus Stadtzentren oder auf Messen kennt.

Jedes Jahr wird Stuttgart im Rahmen der so genannten Bell Labs Days zu einem wichtigen Treffpunkt von Technologie-Experten der Branche, die traditionell auch vom eigens anreisenden Firmenchef von Alcatel-Lucent begrüßt werden. Nokia beackert an seinem Standort in Ulm allerdings ähnliche Themen. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie eine mögliche Kooperation oder Arbeitsteilung in der Zukunft gestaltet werden.

Weitere Gebäude auf dem einst riesigen Gelände der früheren SEL in Stuttgart-Zuffenhausen wird Alcatel also wohl nicht räumen. Eine Fläche im Umfang von 25 Hektar in der Nähe des Porsche-Museums wird heute von anderen, expandierenden Unternehmen wie Porsche in Beschlag genommen. Dies großen Zeiten von Stuttgart als Standort der Telekommunikationsindustrie sind seit vielen Jahren vorbei.