Überraschende Wahlniederlagen in Städten und Ländern: Fünf Beispiele, wie die Meinungsforscher krass daneben liegen und über den tiefen Schock der Verlierer.

Stuttgart - Die Meinungsforscher geben den Bewerbern um ein Amt ein gutes Gefühl, doch am Wahlabend w ird die Hoffnung abrupt zunichte gemacht. So war es bei der OB-Wahl in Freiburg, als Amtsinhaber Dieter Salomon nach 16 Amtsjahren ins Bodenlose fiel. Und so passiert es immer wieder auf kommunaler Ebene, aber auch bei Landtagswahlen. Im folgenden ein unvollständiger Überblick über das überraschende Scheitern von Amtsinhabern in Städten und Staatskanzleien.

 

Böblingen – Sensation bei der OB-Wahl

Die jüngste vom Wähler bescherte Überraschung ist noch gar nicht lange her: In Böblingen wählten die Bürger den 38-jährigen Grünen Stefan Belz schon im ersten Wahlgang mit einer Mehrheit von über 51 Prozent ins Bürgermeisteramt – und kegelten damit den Amtsinhaber Wolfgang Lützner (CDU) aus dem Rathaus, in dem er acht Jahre lang der Oberbürgermeister war. Lützner landete mit 28,4 Prozent weit abgeschlagen auf Platz zwei. Politische Beobachter sprachen von einer Sensation und selbst der Gewinner zeigte sich überrascht, er sagte mit diesem „eindeutigen Ergebnis“ habe er nicht gerechnet.

Pforzheim – Eleve gegen Kommunalpolitiker

Einen so nicht absehbaren Machtwechsel hat es 2017 auch schon in Pforzheim gegeben. Der kommunalpolitische erfahrene Oberbürgermeister Gert Hager (SPD wurde überraschend abgewählt, musste dem Konkurrenten Peter Boch (CDU) Platz machen. Boch war einst Eleve an der Stuttgarter Ballettschule von John Cranko, später bei der Polizei im Personenschutzkommando und danach Dorfbürgermeister in Epfendorf (3400 Einwohner). Während sein Umfeld sichtlich betroffen war vom Wahlverlust, nahm es Gert Hager eher gelassen: „Ich bin raus aus der Politik.“

Niedersachsen – der versteinerte David McAllister

So sichtlich in einem Gesicht ablesbar war eine Wahlniederlage wohl noch nie: Am Wahlabend des 20. Januar 2013 stand in Hannover der noch amtierende Ministerpräsident von Niedersachsen, David McAllister (CDU), auf der Bühne bei der Wahlparty mit versteinertem Gesicht. Er hielt ein Mikrofon in der Hand, doch er brachte minutenlang kein Wort heraus. Gerade war im ARD-Wahlstudio verkündet worden, dass die CDU mit dem überaus populären McAllister die Mehrheit verloren hatte, denn überraschend viele CDU-Wähler hatten der FDP ihre Zweitstimme geliehen. Das hatte niemand auf dem Schirm gehabt. Die Folge war Rot-Grün in Hannover mit dem bis dato völlig unbekannte Stephan Weil (SPD) als Ministerpräsident.

Hessen – Hans Eichel stürzt und siegt

Gute Popularitätswerte hatte 1999 eigentlich auch der amtierende Ministerpräsident von Hessen, Hans Eichel (SPD). Die Meinungsforscher sagten einen Wahlsieg der rot-grünen Landesregierung sowie ein Hervorgehen der SPD als stärkste Partei aus der Wahl voraus. Es kam ganz anders. Der CDU-Herausforderer Roland Koch hatte Stimmung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gemacht, seine Partei schob sich mit 43,4 Prozent auf den ersten Platz – mehr als sieben Prozent über dem, was die letzten Umfragen vorhergesagt hatten. Roland Koch wurde Ministerpräsident, Hans Eichel fiel weich. Er wurde wenig später Bundesfinanzminister – auch eine Art Sieg.

Schleswig-Holstein – Patzer beim Endspurt

Ähnlich krass verlief auch 2017 die Abwahl von SPD-Ministerpräsident Torsten Albig in Schleswig-Holstein. Überragende Umfragewerte für die SPD kontrastierten lange mit der Blässe des CDU-Herausforderers Daniel Günther, den im Norden kaum einer kannte. Aber der smarte und fleißige Günther legte Woche um Woche zu, setzte den von vielen als „behäbiger Monarch“ titulierten Albig unter Druck. Den Rest an Sympathien im Wahlvolk hat sich Torsten Albig aber selbst verscherzt, als er sich kurz vor der Wahl in der „Bunten“ despektierlich-machohaft über seine Ex-Frau äußerte und sie in die Nähe eines „Heimchen am Herds“ rückte. Diesen Patzer hat ihm der Wähler nicht verziehen. Die SPD verlor die Wahl. Heute regiert Daniel Günther in Kiel.