Es ist nicht mehr besonders witzig, sich über Lothar Matthäus lustig zu machen. Findet jedenfalls unser Kolumnist Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Wenn Lothar Matthäus im Fernsehen erscheint, schießen mir jedes Mal zwei Wörter durch den Kopf, die ich dann mantraartig leise vor mich hinsage: Doddenhams Dakdik, Doddenhams Dakdik, Doddenhams Dakdik. Immer und immer wieder. Irgendwann hatte Matthäus einmal bei Sky in einer Champions-League-Halbzeit von Tottenhams Taktik geschwärmt. Die Freude über das weichgespülte Fränkisch hat sich bei mir im Lauf der Zeit zu einer massiven Zwangsstörung entwickelt, die vor Kurzem leicht sehr unangenehme Folgen hätte haben können. Ich wartete nämlich vor dem Spiel zwischen dem VfB und Borussia Mönchengladbach vor einem Aufzug in der Mercedes-Benz-Arena, als plötzlich Lothar Matthäus auf dem Weg vors Sky-Mikrofon neben mir stand. Ich konnte nicht anders: „Doddenhams Dakdik“, murmelte es aus mir heraus. „Wie bidde?“ Lothar Matthäus hatte es zum Glück nicht verstanden.

 

Wer jetzt denkt, hier geht es nun lustig im Kolumnen-Galopp weiter von einem Matthäus-Anekdötchen zum nächsten, täuscht sich gewaltig. Ich hasse nämlich Witze über Lothar Matthäus, über sein schlechtes Englisch, zum Beispiel. Was damit zu tun haben könnte, dass wir in etwa auf dem gleichen Fremdsprachen-Level bewegen. Sein Englisch verstehe ich. Was ich aber nicht verstehe: Dass sich viele Leute über Lothar Matthäus lustig machen. In diesem Zusammenhang sei an Matthäus 7, Vers 12 erinnert, wo es heißt: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.“

Außerdem sollte manch unglückliche Matthäus-Formulierung und sein Hang zur Selbstgefälligkeit nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Fußball-Sachverstand besitzt, dass er das Spiel versteht. Seine Prognosen vor einer Parte bewahrheiten sich verdächtig oft.

Wankelmütig im Privaten, fokussiert beim Fußball

Deshalb müssen wir uns jetzt auch damit abfinden, dass der FC Bayern nun doch wieder Meister wird. Am Samstagabend nach dem Dortmunder 2:2 in Bremen sagte Matthäus: „So was hat es in der Geschichte der Bayern noch nicht gegeben, dass sie sich so einen Vorsprung noch nehmen lassen.“ Fassungslos zeigte er sich über die Dortmunder: „Mir ist es unbegreiflich, warum der BVB in der zweiten Halbzeit mit dem Fußballspielen aufgehört hat.“

Der Sender Sky jedenfalls ist äußerst zufrieden mit seinem Experten und verlängerte den Vertrag mit Matthäus vorzeitig bis 2021. Diese Abmachung dürfte allerdings eine Ausstiegsklausel beinhalten, sollte ein Club Matthäus verpflichten wollen. Dass ihn ein Bundesligist als Trainer anstellt, daran glaubt er aber selbst nicht mehr, wie er jüngst berichtet hat.

Schließlich wissen die Clubs hierzulande: einen Lothar Matthäus kriegst du nicht allein als Fußball-Sachverständigen, sondern grundsätzlich mit einem knallbunten Beiprogramm. Mittlerweile ist er zum fünften Mal verheiratet, womit das letzte Ja-Wort aber noch lange nicht gesprochen sein muss.

So wankelmütig er im Privatleben erscheint, so fokussiert war er doch als Fußballer auf dem Platz. Für die Spätgeborenen und Vergesslichen hier in aller Deutlichkeit: Ohne den überragenden Lothar Matthäus wäre Deutschland 1990 in Italien niemals Weltmeister geworden. Widerrede zwecklos.

Nachtrag: Die Dakdik von Doddenham ist am Wochenende übrigens nicht aufgegangen. Die Spurs unterlagen in Bournemouth mit 0:1.