War „Überzeugt uns!“ in der ARD eine „ziemlich tighte Wahlkampfveranstaltung“, wie es am Ende hieß? Matthias Ebbertz sagt ja – aber eher deshalb, weil das Zuschauen über weite Strecken vor allem zu Fremdschämen führte.

Stuttgart - Wie stellt man sich in der ARD wohl einen Jugendlichen vor? Die Sendung „Überzeugt uns! Der Politiker-Check“ vom Montagabend im Ersten verrät einiges zu dieser Frage. Dort stellt man sich diese unbekannte Spezies offenbar als Club-Mate süffelnden Sprachneurotiker vor, dessen Sprache in mindestens jedem zweiten Wort ins Englische wechseln muss, und sowieso ist er etwas desinteressiert, will begeistert werden. Seine Lieblingsworte sind „swag“ oder „yolo“, die doch unter Jugendlichen schon längst so Achtziger sind, dass deren Verwendungszweck inzwischen, wenn überhaupt, zur Selbstironie verkommen ist. Kein Wunder, hat doch bisher noch kein sogenanntes Jugendwort die schwere Bürde überlebt, zum sogenannten „Jugendwort des Jahres“ gewählt zu werden. Zuletzt ereilte „yolo“ dieses Schicksal.

 

Dass Erwachsene nicht genau wissen, was gerade unter Jugendlichen angesagt ist, zählt zu den Kerneigenschaften des jugendlichen Sprachcodes. Das ist so, das soll so sein und deshalb ist es auch gar kein Problem, wenn eine Redaktion, die nun mal aus erwachsenen Menschen besteht, die Sprache der Jugendliche nicht trifft. Zum Problem wird es erst dann, wenn das zwanghaft versucht wird. Und gnadenlos scheitern muss.

Löbliches Ziel

Angetreten war „Überzeugt uns!“ mit dem löblichen Ziel, den jungen Wählern ein Sendeformat zu bieten, das sie davon überzeugen sollte, dass Politik spannend sein kann. Außerdem wollte die Sendung ihnen eine Wahlhilfe geben: Wen wähle ich?

Dazu wurde aufgefahren, was Social TV hergibt: Es schlug die Stunde der Interaktion. Über Twitter, Facebook und einen Kommentarbereich konnte man über die Sendung diskutieren oder direkt Fragen stellen. Das kam an. Während der Sendung war der Hashtag #ueberzeugtuns auf dem ersten Platz der Twitter-Trends. Eine mehrköpfige Internetredaktion wählte die Fragen aus, die dann den Politikern gestellt wurde. „Wozu?“, fragte man sich den Großteil der Sendung: wirklich oft kamen die Jugendlichen nicht zu Wort. Die Politiker allerdings auch nicht, Gregor Gysi beschwerte sich zurecht, wieso er eingeladen worden sei, anderthalb Stunden herum sitzen müsse, aber kaum zu Wort komme.

Antworten gibt es selten

Und wenn doch, dann zeigte sich das große Manko dieser Sendung. Über weite Teile funktionierte sie, wie der Talkshow-Betrieb der Politiker eben funktioniert: Antworten gibt es selten. Nicht herausragend schlecht also, aber auch nicht anders. Wie immer eben.

Auf konkrete Fragen wie die von dem teilzeitbeschäftigten jungen Mann gibt es statt konkreter Antworten auf seine Frage („Darf ein Arbeitnehmer Beschäftigte zur Teilzeit zwingen und dann erwarten, dass sie den ganzen Tag abrufbereit zur Verfügung stehen?“) eigentlich nur Politikerantworten. Jemand packte das Wort vom Mindestlohn aus, und alle sprangen drauf an. Dass hier gar nicht der Mindestlohn das Problem sei, merkte der wie immer sehr sympathische Ingo Zamperoni zwar noch zaghaft an, verpasste jedoch die Chance, hier explizit nachzuhaken und die Politiker auf konkrete Antworten festzunageln.

Die „derben Skills von Angela Merkel“

Wurde das Festnageln doch versucht, indem man die geladenen Politiker mit 15 Sekunden Zeit zum Antworten ein wenig unter Druck setzte, so machten die anstrengenden Begleiteffekte das Zuhören zur Qual. Dramatische Musik und Lichtblitze hüllten das Studio in eine bedrohliche Szenerie. Gregor Gysi hörte schon kaum die Fragen mehr und für den Zuschauer wurde es anstrengend.

Wirklich grausig wurde es immer dann, wenn die ARD sich jugendlich versuchte. „Herr Innenminister, ganz kurze Frage, das war eine ziemlich tighte Wahlkampfveranstaltung, die wir da gerade on stage gesehen haben. Wie sehr sind sie geflasht von den derben Skills von Angela Merkel, die sie hier gerade gedropt hat?“, fragte Pierre M. Krause den bayrischen Innenminister in einem Video, das schon vorab online veröffentlicht wurde. Im ähnlichen Stil waren die Einspielflimchen während der Sendung gehalten, die den Gesprächsablauf immer wieder unterbrachen.

Für wen macht man das?

Wer soll damit eigentlich angesprochen werden? Soll sich damit irgendein Jugendlicher ernst genommen fühlen? Das ist weder witzig, noch einfallsreich oder fühlt „Politikern im Wahlkampf ironisch auf den Zahn“, wie es die ARD behauptete. Man schämte sich mit Krause, man schämte sich mit den Politikern, die von ihm da gerade zum Fist bump, dem Stoß Faust gegen Faust, aufgefordert wurden, oder einen Rap mit dem beatboxenden Krause performen mussten.

Die derart zu Peinlichkeiten angehaltenen Politiker machen den ganzen pseudojugendlichen Quatsch auch noch mit; vielleicht das einzig entlarvende Moment an diesem Abend. Einzig Dirk Niebel lässt sich auf darauf nicht ein. Alle anderen biedern sich einem Bild von Jugendlichen an, den man so auf der Straße vergeblich suchen wird.

Anscheinend ist die Redaktion der Sendung der Auffassung, Jugendliche müssten mit Effekten und Brimborium als Trojanischem Pferd des trockenen Inhalts zur Begeisterung für Politik übertölpelt werden. Ernst genommen werden sie nicht. Die Idee war gut, Jugendlichen ein Format für die Bundestagswahl 2013 anzubieten, doch der Wille allein macht es nicht.