Die Uhlandschule in Stuttgart-Zuffenhausen ist ein Beispiel für gelungene Infrastruktur. Dort wird mehr Energie erzeugt als verbraucht. Dafür war eine teure Sanierung nötig – und ein kleinerer Kühlschrank in der Lehrerküche.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Was gleich geblieben ist, sind die Treppenhäuser. Davon abgesehen steht von der „Bruchbude“, wie die Uhlandschule in Stuttgart-Zuffenhausen es bis vor zehn Jahren war, quasi nichts mehr. Das Wort „Bruchbude“ benutzt selbst Beate Anderka, die Rektorin der Grund- und Werkrealschule, denn so sei es eben gewesen: „Das Hauptgebäude war aus dem Jahr 1954, es musste komplett entkernt werden.“

 

Das bedeutet: Böden, Wände, Türen, Fenster, Heizung, Elektrotechnik – alles wurde neu gemacht. Vier Jahre dauerte es, bis die Grund- und Werkrealschule zu dem Vorzeigeprojekt wurde, das sie heute ist. Sie produziert mehr Energie, als sie verbraucht. Pro Jahr werden 150 000 Kilowattstunden Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Das ist so viel, wie 50 Vierpersonenhaushalte jährlich verbrauchen.

Die Wärme kommt aus 90 Metern Tiefe

Der Erdgaskessel wurde stillgelegt und ausgebaut, die Heizkörper entfernt. Heute kommt die Wärme von 52 Erdwärmesonden in 90 Metern Tiefe. In den Räumen wird die Wärme über die Decke und Wandbrüstung an den Raum abgegeben. Strom kommt zum größten Teil über Solarmodule auf dem Dach und an der Fassade, nur in den Wintermonaten reicht dies nicht ganz aus. Über den Sommer wird mehr Strom erzeugt, als die Schule benötigt. Dieser überschüssige Strom wird ins Stromnetz eingespeist.

Außerdem wurde die Gebäudehülle vollständig saniert und gedämmt, die Fenster erhielten eine Dreischeibenverglasung und einen besonders wärmedämmendem Fensterrahmen. Die Jalousien schließen und öffnen sich automatisch je nach Stand der Sonne; im Winter wird dadurch auch die Wärme im Raum gehalten, im Sommer bleibt die Hitze draußen. Nachts werden die Räume – ebenfalls automatisiert – quergelüftet, „morgens haben wir dann richtig gute Luft“, sagt die Rektorin Beate Anderka.

Auch die Temperatur wird automatisch geregelt, ebenso haben alle Zimmer CO2-Ampeln erhalten; schon Jahre bevor das Coronavirus in die Welt gelangte. Und heute gibt es zumindest im Gebäude der Werkrealschule in Zuffenhausen auch keine einzige klassische Tafel mehr, nur noch moderne Whiteboards.

Nur noch kleiner Kühlschrank im Lehrerzimmer

Doch um mehr Energie zu produzieren als zu verbrauchen, müssen sich die Schüler und Lehrerinnen auch ein wenig einschränken: So gibt es in der Lehrerküche seit der Sanierung nur noch einen kleinen Kühlschrank, „das würde sonst zu viel Strom verbrauchen“, weiß die Schulleiterin Beate Anderka.

Und der Job von Stephan Kollender, dem Hausmeister der Uhlandschule, ist wohl deutlich herausfordernder, als dies an anderen Schulen der Fall wäre. Er kam im Dezember 2015 an die Schule, „anfangs musste ich mich viel durchfragen“. Heute hat er ein Handbuch, in dem er nachschauen kann, wenn er sich mal unsicher ist bezüglich der komplexen Technik in und unter der Schule. Denn Stephan Kollender verbringt verhältnismäßig viel Zeit im Technikkeller, kontrolliert Werte und informiert bei Auffälligkeiten das Stuttgarter Amt für Umweltschutz.

Sanierung kostete 20 Millionen Euro

Dass Stuttgart die erste sanierte Plusenergieschule europaweit hat, ist vor allem Jürgen Görres zuzuschreiben. Der Leiter des städtischen Amtes für Umweltschutz war schon früh zu der Erkenntnis gekommen, dass man anders mit Gebäuden umgehen müsse, sagt er, „raus aus dem fossilen Energieverbrauch“. Leicht sei die Sanierung zur Plusenergieschule jedoch nicht gewesen: „Ich habe so oft gehört: ‚Das geht nicht!‘“

Doch es ging – wenngleich es schwierige Phasen gab. So sind die Kosten für den Umbau regelgrecht explodiert: Während vor Baubeginn noch von 12 Millionen Euro die Rede war, später von 15 Millionen, dann von 17 Millionen, wurden es am Ende 20 Millionen Euro. Immerhin wurde das Projekt gefördert, vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit 4,4 Millionen Euro sowie knapp einer Million Euro vom Land Baden-Württemberg.

Mal war die Schule ohne Wasser, mal ohne Strom

Teilweise hatten die Bauarbeiten im laufenden Betrieb recht abenteuerliche Auswirkungen: So wurde einmal eine falsche Wasserleitung gekappt, mehrfach hatte die Schule über Stunden hinweg kein Wasser oder Strom, erinnert sich die Rektorin Beate Anderka. Auch der Lärm sei teilweise unangenehm gewesen: „Wir haben dann große Kopfhörer für die Grundschüler bekommen, aber das war schon schon sehr mühsam.“

Und es verzögerte sich alles. „Ursprünglich sollte die Sanierung 2012 fertig sein“, erinnert sich Beate Anderka. Am Ende kamen erst 2012 die ersten Bauarbeiter. Bis 2016, also vier Jahre lang, wurde in provisorischen Containern unterrichtet und gearbeitet.

Auch für Planer war dies Neuland

Die Verzögerungen führt Jürgen Görres vor allem auf die Pionierarbeit zurück, die an der Uhlandschule geschah: „Die Fachplaner mussten lernen, was die Anforderungen bei einem Plusenergiegebäude sind“, sagt er. Ein Passivenergiehaus, also eines, das exakt so viel Energie erzeuge, wie es verbrauche, sei eben nicht ausreichend gewesen. Außerdem hätten die Diskussionen, was mit der Turnhalle und dem Pavillon auf dem Schulgelände passieren solle, rund zwei Jahre gekostet.

Anfangs sollten diese zwei Gebäude nämlich ebenfalls saniert werden, dann doch nicht. Inzwischen ist klar, dass die Turnhalle und der Pavillon in den kommenden Jahren abgerissen werden und dort eine Art Schulcampus mit unter anderem einer Mensa und einem Schülerhaus entsteht; auch für die umliegenden Schulen. Die Neubauten werden ebenfalls Plusenergiegebäude.

Städtische Neubauten müssen nun Plusenergiehäuser sein

Die Uhlandschule soll nämlich kein nettes Vorzeigeprojekt bleiben, sondern zum neuen Standard werden. Im Mai 2020 hatte der Stuttgarter Gemeinderat beschlossen, dass künftig bei allen städtischen Neubauten Plusenergiehäuser gebaut werden müssen. Wird eine städtisches Gebäude saniert, muss dies klimaneutral erfolgen.

Und es gibt bereits Nachfolgeprojekte, insgesamt wurden bereits 27 städtische Gebäude nach diesen Kriterien umgebaut, neu gebaut oder sind in Planung. Darunter sind Kindergärten, Schulen und Turnhallen, aber auch das Jugendhaus im Hallschlag, drei Betriebshöfe der Abfallwirtschaft und die Eiswelt auf der Waldau. „Wenn wir Energiewende und den Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir immer so bauen“, sagt Jürgen Görres.