Im angespannten Ukraine-Konflikt scheint eine Deeskalation der Lage in weiter Ferne. Frankreichs Präsident Macron und Russlands Staatschef Putin haben nun über mögliche Wege dorthin gesprochen. Gleichzeitig pocht Moskau weiter auf Sicherheitsgarantien.

Paris/Moskau - Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und sein russischer Kollege Wladimir Putin haben sich über die Notwendigkeit einer Deeskalation des Ukraine-Konflikts verständigt. Dies verlautete aus Élyséekreisen im Anschluss an das gut einstündige Telefonat der beiden Präsidenten am Freitag. Um zu einem Abbau der Spannungen zu gelangen, sollten demnach sowohl bilaterale Gespräche zwischen den Staatschefs fortgeführt werden - wie auch die Verhandlungen zur Lösung der Ukraine-Krise im Normandie-Format, in dem Deutschland und Frankreich vermitteln.

 

Putin bekräftigte in dem Gespräch russische Forderungen nach verbindlichen Garantien für die Sicherheit in Europa, wie der Kreml mitteilte. Putin sagte demnach auch, dass Russland nun die schriftlichen Antworten der USA und der Nato auf seine Vorschläge analysiere und dann weitere Schritte festlege. Auch Paris nannte den Dialog über die von Moskau geforderten Sicherheitsgarantien ein Mittel hin zur Deeskalation.

Putin: Hauptsorgen Russlands vom Westen nicht berücksichtigt

Putin wies nach Kremlangaben aber auch darauf hin, dass die Hauptsorgen Russlands vom Westen nicht berücksichtigt worden seien in den Antworten. Darunter seien das geforderte Ende der Ausdehnung der Nato, der Verzicht auf Angriffswaffen in der Nähe der russischen Grenzen und auch der Rückzug des militärischen Potenzials sowie der Infrastruktur des Blocks auf die Positionen von 1997. Damals war die Russland-Nato-Grundakte unterzeichnet worden. Ignoriert worden sei von den USA und ihren Verbündeten auch die Schlüsselfrage der „Unteilbarkeit“ der Sicherheit.

Damit meint Moskau, dass ein Land seine eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Interessen eines anderen Staates festigen darf. Damit begründet Russland seinen Widerstand gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato, weil es das Vorrücken des Militärblocks für eine Bedrohung hält. Russland sieht sich durch eine jahrhundertelange Geschichte mit Teilen der Ukraine verbunden und kritisiert, dass die USA und die Nato das Land zu ihrem Einflussbereich erklärt hätten - ohne Rücksicht auf Moskaus Interessen.

Annalena Baerbock zum Dialog mit Russland

In einem Telefonat mit seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock betonte auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow, dass Moskau eine weitere Ausdehnung der Nato und eine Stationierung von Angriffswaffen verhindern wolle. Die Grünen-Politikerin schrieb bei Twitter, man setze den Dialog mit Russland offen und prinzipienfest fort.

Zudem forderte Lawrow Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Antworten auf Moskau Forderungen auf - insbesondere zum Prinzip der „unteilbaren Sicherheit“, das in vielen internationalen Dokumenten festgeschrieben sei. Nach Darstellung Lawrows sollte noch am Freitag ein Schreiben an die Außenminister der OSZE gehen.

Direkte Gespräche zwischen Moskau und Kiew

In seinem Gespräch mit Macron habe Putin erneut auf die Erfüllung von Kiews Verpflichtungen im Minsker Friedensabkommen gepocht und auf den geplanten Sonderstatus für die abtrünnigen ostukrainischen Gebiete im Donbass hingewiesen, hieß es sowohl von russischer als auch von französischer Seite. Macron verwies hingegen mit Blick auf die Ukraine darauf, dass Russland die Souveränität aller europäischer Staaten anerkennen müsse.

In Paris hatte es am Mittwoch zu dem bisher nicht erfüllten Abkommen von Minsk erstmals wieder direkte Gespräche zwischen Moskau und Kiew gegeben - unter deutsch-französischer Vermittlung. Dabei wurde vor allem das Bekenntnis zur Waffenruhe in der Konfliktregion bekräftigt. Substanzielle Fortschritte blieben nach deutscher Darstellung aus. In zwei Wochen soll es ein Nachfolgetreffen in Berlin geben.

Sorge, Moskau könne einen Einmarsch ins Nachbarland planen

Macron wollte noch am Freitagabend auch mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj sprechen. Dieser versuchte in Kiew erneut, Panik abzuwenden - und betonte, dass es aus ukrainischer Sicht keine größere Eskalation gebe als noch vor einem Jahr. Ausländische Journalisten könnten gerne nach Kiew kommen und sich selbst ein Bild davon machen, erklärte Selenskyj bei einer Pressekonferenz. „Fahren bei uns etwa Panzer auf unseren Straßen? Nein, doch das Gefühl ist so, wenn du nicht hier bist.“

Westliche Staaten hatten angesichts eines russischen Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze zuletzt immer wieder die Sorge geäußert, Moskau könne einen Einmarsch ins Nachbarland planen. Der Kreml dementiert diese Vorwürfe.

„Wenn es von Russland abhängt, dann gibt es keinen Krieg. Wir wollen keine Kriege. Aber wir lassen auch nicht zu, dass auf unseren Interessen herumgetrampelt wird, dass unsere Interessen ignoriert werden“, sagte Außenminister Lawrow. Mit Blick auf den Konflikt in der Ostukraine betonte er einmal mehr, dass die Ukraine-Krise durch den Friedensplan gelöst werden könne. Moskau warnt immer wieder davor, dass die Nato und die USA versuchten, Russland und die Ukraine gegeneinander in den Krieg zu treiben.

„Die Aufrüstung geht also weiter“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisierte unterdessen, dass Moskau seinen Truppenaufmarsch ungeachtet aller Aufrufe zur Deeskalation fortsetze. „Russland verlegt mehr Truppen, mehr schweres Gerät und jetzt auch Tausende von Kampftruppen nach Belarus“, sagte Stoltenberg bei einer Online-Veranstaltung der Denkfabrik Atlantic Council in Washington. „Die Aufrüstung geht also weiter.“

Die EU und die USA wollen angesichts der Kriegsgefahr in Osteuropa ihre Zusammenarbeit im Energiebereich ausbauen. Ziel sei es, für die Bevölkerung und Unternehmen in der EU und ihre Nachbarländer eine zuverlässige und erschwingliche Versorgung sicherzustellen, hieß es in einer veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden. Somit sollen „Versorgungsschocks“ vermieden werden, die sich etwa durch eine russische Invasion in der Ukraine ergeben könnten.