Moskau droht mit Lieferstopp, wenn Kiew nicht zahlt – was auch die EU-Versorgung gefährdet. Vereinbart wurde, dass in zwei weiteren Gesprächsrunden bis Ende Mai ein Ausweg aus der sich anbahnenden Gaskrise gefunden werden soll.

Brüssel - Die erste Begegnung, bei der die Regierungen Russlands und der Ukraine um einen Tisch versammelt waren, liegt schon gut zwei Wochen zurück. Und es lässt sich wahrlich nicht behaupten, dass die Übereinkunft von Genf bisher zur Beruhigung der Lage beigetragen hätte. Da muss es schon als positives Zeichen gewertet werden, wenn inmitten der weiter eskalierenden Lage in der Ostukraine erneut ein Treffen zustande kommt – wenn es auch „nur“ um die Auswirkungen der Sicherheitskrise auf den Gassektor ging. „Wir sind alle erwachsene Leute und haben uns sehr sachlich und ernsthaft unterhalten“, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger nach seinem Gespräch mit den Energieministern Russlands und der Ukraine, Alexander Nowak und Yuri Prodan, sowie Industrievertretern beider Seiten in Warschau: „Dass dabei keine freundschaftlichen Gesten über den Tisch kamen, war von vornherein klar.“

 

Gazprom hat die Preise dramatisch erhöht

Vereinbart wurde, dass in zwei weiteren Gesprächsrunden bis Ende Mai ein Ausweg aus der sich anbahnenden Gaskrise gefunden werden soll. Erstmals musste Oettinger an diesem Freitag nämlich einräumen, dass die Gasversorgung nicht nur der Ukraine, sondern der Europäischen Union zum Stande jetzt „nicht garantiert ist“.

Grund ist der Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Im Zuge dessen hat der russische Energiekonzern Gazprom die Lieferpreise zwei Mal dramatisch angehoben und dies sowohl mit Altschulden als auch mit dem Wegfall von Rabatten für die Versorgung der nun nicht mehr von der Ukraine kontrollierten Krim begründet. Statt 268 Dollar pro tausend Kubikmeter soll Kiew nun mit 485 Dollar fast das Doppelte zahlen. Aus Protest und wegen der klammen finanziellen Situation, in der das osteuropäische Land steckt, hat es seit Februar aber überhaupt nichts mehr für das weiterhin gelieferte Gas überwiesen. Russlands Energieminister Nowak sagte nach dem Treffen, die offenen Rechnungen beliefen sich auf 3,5 Milliarden Dollar, die nun mit dem eben gewährten Großkredit des Internationalen Währungsfonds beglichen werden sollten. Geschieht dies nicht, so die Moskauer Drohung, werde Gazprom einen Passus des 2009 geschlossenen Lieferabkommens nutzen und Vorkasse verlangen. Dies erhöht die Gefahr, dass der ohnehin angeschlagene Staatskonzern „Naftogaz Ukrajiny“ nicht mehr zahlen kann und auch der Transit in Richtung der Europäischen Union unterbrochen wird.

Die erste Deadline rückt näher

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso hatte schon Mitte April in einem Brief an Kremlchef Wladimir Putin diesbezüglich seine „ernste Besorgnis“ ausgedrückt und von Putin vorgeschlagenen Verhandlungen zugestimmt. In deren Fokus steht laut Oettinger nun, welcher Preis für bereits geleistete und zukünftige Lieferungen zu zahlen ist und wie generell „eine Unterbrechung der Gaslieferungen verhindert werden kann“. Mit dem 16. Mai gibt es nun eine erste Deadline. Dann will Gazprom eine Rechnung für die Lieferung im Juni ausstellen, die bis Ende Mai gezahlt sein muss. Für diese Zeit der Verhandlungen, so der deutsche Kommissar, habe die russische Seite eine Liefergarantie abgegeben. Ohne Einigung erlischt sie danach. Oettinger nannte die Tatsache, dass gerade in den Monaten Juni, Juli und August das Gas schon für den hohen Verbrauch in den Wintermonaten gespeichert wird, als weiteren Grund dafür, dass eine schnelle Einigung wichtig sei.

Die Sorgen vor einer Gaskrise im nächsten Winter sind also bereits vorhanden, da die fertig in der Schublade liegenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland noch gar nicht beschlossen sind. Barroso hat Putin in seinem Brief vorsorglich daran erinnert, dass es „Gazproms Verantwortung ist, europäischen Unternehmen die vertraglich festgelegten Liefermengen bereit zu stellen“. Immerhin bemerkte sein Energiemann Oettinger bei dem Warschauer Treffen den „guten Willen aller Beteiligten, den Gassektor nicht zum Instrument der Politik zu machen“.