In ganz Deutschland finden am Osterwochenende Demonstrationen für den Frieden statt. Doch in Zeiten des Ukraine-Krieg sorgt die Forderung nach einem Waffenstillstand für viel Kritik – etwa aus der FDP.

Baden-Württemberg: Lea Krug (lkr)

Den Wunsch nach einer friedlichen Welt verspüren wohl die allermeisten Menschen. Doch die Forderungen aus Teilen der Friedensbewegung sorgen nun für Diskussionen. Unter anderem der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, übt nun offen Kritik an den Forderungen und angekündigten Ostermärschen. „Wer über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen mit Putin verlangt, der steht auf der falschen Seite der Geschichte“, sagte das Präsidiumsmitglied der bayerischen FDP am Donnerstag. Wer wie die Organisatoren der Ostermärsche eine Waffenruhe fordere, behandle die Ukraine wie eine „abhängige Kolonie, die nicht selbst entscheiden kann, ob sie sich gegen einen Angreifer zur Wehr setzt“.

 

Eine Waffenruhe würde „dem russischen Aggressor diejenigen Gebiete ausliefern, die dieser durch Bruch des Völkerrechts und mit unerträglicher Brutalität erobert hat“. Forderungen nach Friedensverhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seien zudem eine Missachtung des Internationalen Strafgerichtshofs, der einen Haftbefehl gegen den russischen Diktator erlassen habe, sagte Thomae laut einer Mitteilung: „Wir müssen alles tun, um die Ukraine in diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu unterstützen.“ Neben Waffenlieferungen müsse man Lücken im Völkerstrafrecht schließen und den Internationalen Strafgerichtshof stärken.

Margot Käßmann lehnt Waffenlieferungen auch weiterhin ab

In die Diskussion mischte sich auch die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, ein. Sie bekräftigte ihre ablehnende Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine. „Anfangs hieß es, wir würden reine Verteidigungswaffen liefern, jetzt sind daraus ganz klar Angriffswaffen geworden“, sagte sie der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag). Mit deutschen Panzern werde auf russische Soldaten geschossen. „Das kann doch auch keine Lösung sein“, betonte die einstige hannoversche Landesbischöfin, die am Karsamstag bei einem Ostermarsch in Hannover sprechen wird.

Vollkommen außer Frage stehe zwar, dass es sich bei dem Ukraine-Krieg um den Angriffskrieg eines Diktators auf ein freies Land handle. Dennoch müsse es durch Friedensverhandlungen schnellstmöglich zu einem Ende des Tötens kommen. „Verhandlung heißt nicht Kapitulation“, unterstrich Käßmann.

Käßmann hatte sich wiederholt gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und, wie zuletzt in einem von Vertretern aus Politik, Gewerkschaften, Kultur und Wissenschaft unterzeichneten Appell, einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen mit Russland gefordert. Aussagen des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev, wonach der von Käßmann mitgetragene Friedensappell „purer Zynismus“ sei, wies die ehemalige Landesbischöfin zurück: „Er hat das Recht, als Ukrainer zu reden, ich habe das Recht, als Deutsche zu reden.“ Sie spreche der Ukraine nicht das Recht ab, sich zu wehren, aber sie fürchte, dass Deutschland durch Waffenlieferungen nach und nach selbst zur Kriegspartei werde.

Differenzen auch innerhalb der Bewegung

Auch innerhalb der Friedensbewegung gibt es offenbar Differenzen über den Umgang mit dem Ukraine-Krieg. Der langjährige Koordinator der Friedensbewegung, Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative, sagte der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstag): „Die Meinungsdifferenzen, die es in der Gesellschaft gibt, spiegeln sich auch in den Friedensgruppen.“ Die Friedensbewegung sei kein monolithischer Block. „Da gibt es in der Tat auch Leute, die noch nicht wahrnehmen wollen, dass das aktuelle Russland ein repressives System ist und eine imperialistische Politik betreibt, indem es seine Nachbarländer überfällt.“

Golla beschrieb die Konflikte anhand der Haltung zu Waffenlieferungen: „Es gibt dieses moralische Dilemma, das man aushalten muss. Das besteht darin: Wenn ich Waffen liefere, bin ich mit schuld am Tod von Menschen, die dadurch zu Schaden kommen. Wenn ich keine Waffen liefere, bin ich gegebenenfalls mit schuld an unterlassener Hilfeleistung.“ Auf dieses Dilemma müsse jeder und jede für sich eine Antwort finden.

Die Ostermärsche finden nach Angaben des Netzwerks von Gründonnerstag bis Ostermontag statt. Mit Demos, Kundgebungen, Fahrradtouren, Wanderungen und Festen will die Friedensbewegung ihre Themen in die Öffentlichkeit bringen. In mehr als 100 deutschen Städten soll es Ostermärsche und Aktionen der Friedensbewegung geben - unter dem Motto „Frieden muss verhandelt werden“.